Eulen
dem Fahrrad.«
»Ich freue mich, dich kennen zu lernen, Beatrice!« Roys Mutter war nicht nur einfach höflich. Sie freute sich wirklich, dass Roy jemanden mit nach Hause brachte, auch wenn dieses Mädchen ziemlich burschikos aussah.
»Wir wollen gleich zu Beatrice und zusammen Hausaufgaben machen. Okay?«
»Ihr könnt gern hier arbeiten. Es ist ganz still im Haus –«
»Es geht um ein Chemieexperiment«, warf Beatrice schnell ein. »Es könnte ziemlich viel Unordnung geben.«
Roy unterdrückte ein Grinsen. Beatrice hatte seine Mutter auf Anhieb richtig eingeschätzt. Mrs. Eberhardt legte Wert auf ein super aufgeräumtes Haus. Beim Gedanken an Reagenzgläser mit blubbernden chemischen Lösungen runzelte sie besorgt die Stirn.
»Ist das auch nicht gefährlich?«
»Oh, wir tragen immer Gummihandschuhe«, sagte Beatrice beruhigend. »Und Schutzbrillen.«
Es war offensichtlich, dass Beatrice Erfahrung darin hatte, Erwachsenen was vorzuschwindeln. Mrs. Eberhardt fiel auch sofort auf die Geschichte rein.
Während sie ihnen eine Kleinigkeit zu essen machte, schlich sich Roy aus der Küche und ging schnell in das Bad seiner Eltern. Die Erste-Hilfe-Ausrüstung war im Schrank unter dem Waschbecken. Roy nahm eine Schachtel mit Mullbinden, eine Rolle mit Klebepflaster und eine Tube mit antibiotischer Salbe, deren Farbe an Grillsauce erinnerte, und verstaute alles in seinem Rucksack.
Als er wieder in die Küche kam, saßen Beatrice und seine Mutter am Tisch und unterhielten sich. Zwischen ihnen stand ein Teller mit Erdnusskeksen. Beatrice kaute mit vollen Backen, was Roy als viel versprechendes Zeichen deutete. Es duftete süß nach den noch warmen Keksen und Roy nahm sich gleich zwei auf einmal.
»Los jetzt«, sagte Beatrice und sprang auf. »Wir haben noch viel zu tun.«
»Ich bin so weit«, sagte Roy.
»Oh, warte noch – weißt du, was wir vergessen haben?«
Er hatte keine Ahnung, was Beatrice meinte. »Nein, was?«
»Das Hackfleisch«, sagte sie.
»Hmh?«
»Du weißt doch, für das Experiment.«
»Ach so.« Jetzt spielte Roy mit. »Stimmt.«
Seine Mutter sagte eifrig: »Ich hab zwei Pfund Hackfleisch im Kühlschrank. Wie viel braucht ihr denn?«
Roy schaute zu Beatrice, die unschuldig lächelte. »Zwei Pfund reichen uns locker, Mrs. Eberhardt, vielen Dank.«
Roys Mutter ging eilig zum Kühlschrank und holte die Packung mit dem Fleisch heraus. »Was für ein Experiment macht ihr da eigentlich?«
Bevor Roy noch antworten konnte, sagte Beatrice: »Es geht um Zellenverfall.«
Mrs. Eberhardt rümpfte die Nase, als hätte sie jetzt schon einen fauligen Geruch in der Nase. »Na, dann saust mal los«, sagte sie, »solange das Fleisch noch frisch ist.«
Beatrice Leep lebte bei ihrem Vater, einem früheren Basketballprofi mit kaputten Knien, einem Bierbauch und wenig Lust auf regelmäßige Arbeit. Leon »Lurch« Leep hatte sehr erfolgreich erst bei den Cleveland Cavaliers, später bei Miami Heat gespielt, aber zwölf Jahre nachdem er sich aus dem Profisport zurückgezogen hatte, konnte er sich immer noch nicht entscheiden, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte.
Beatrice’ Mutter war eigentlich keine ungeduldige Frau, aber irgendwann hatte sie sich von Leon scheiden lassen und als Kakadu-Trainerin im Papagei-Dschungel, einer Touristenattraktion in Miami, angeheuert. Beatrice hatte sich dafür entschieden, bei ihrem Vater zu bleiben, teils, weil sie auf Papageien allergisch reagierte, teils, weil sie Zweifel hatte, dass Leon Leep allein überleben konnte. Im Grunde war er inzwischen nur noch ein schlaffer Fettkloß.
Aber keine zwei Jahre nachdem Mrs. Leep ihn verlassen hatte, überraschte Leon alle Welt damit, dass er sich mit einer Frau verlobte, die er bei einem Golfturnier mit Promis kennen gelernt hatte. Lonna war eine der Kellnerinnen, die im Badeanzug mit kleinen Elektrowagen über den Golfplatz fuhren und den Spielern Bier und andere Getränke servierten. Bis zum Tag der Hochzeit kannte Beatrice nicht einmal Lonnas Nachnamen. An diesem Tag erfuhr sie auch, dass sie in Zukunft einen Stiefbruder haben würde.
Lonna fuhr zusammen mit einem düster dreinschauenden Jungen vor der Kirche vor. Er hatte knochige Schultern, sonnengebleichtes Haar und war braun gebrannt. Er schien sich mit Jackett und Krawatte sehr unwohl zu fühlen und verdrückte sich noch vor dem Empfang. Kaum hatte Leon den Ehering an Lonnas Finger gesteckt, da knallte der Junge seine auf Hochglanz polierten schwarzen
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