Eulen
sein erstes Thunfischsandwich verdrückte, kam ein Werbespot für Mama Paulas Pfannkuchenhaus. Die freundliche alte Mama Paula war, wie er ja schon von Chuck Muckle wusste, niemand anderes als die verkleidete Kimberly Lou Dixon. Sie backte Pfannkuchen auf einem runden Blech, warf sie in die Luft, fing sie wieder auf und sang dabei ein ziemlich albernes Lied.
Obwohl die Maskenbildner ihre Sache verflixt gut gemacht hatten, merkte Curly doch, dass die alte Dame im Film in Wirklichkeit eine viel jüngere – und hübsche – Frau war. Er musste daran denken, was Chuck Muckle ihm über Kimberly Lou Dixon und ihren neuen Film erzählt hatte, und versuchte sie sich als Königin der mutierenden Grashüpfer vorzustellen. Bestimmt würden die Leute, die für die Trickaufnahmen zuständig waren, ihr sechs grüne Beine und ein Paar Antennen verpassen, und diese Vorstellung fand Curly durchaus spannend.
Er überlegte, ob er Kimberly Lou Dixon wohl persönlich vorgestellt würde, wenn sie nach Coconut Cove kam, um beim ersten Spatenstich für das neue Restaurant dabei zu sein. So abwegig war der Gedanke wirklich nicht – schließlich war er ja der Überwachungsingenieur des Bauvorhabens, sozusagen der Boss von all dem hier.
Noch nie hatte Curly einen Filmstar oder eine Fernsehschauspielerin getroffen, auch keine Miss America oder Miss Sonstwas. Ob er sie wohl um ein Autogramm bitten dürfte? Ob sie was dagegen hätte, sich mit ihm fotografieren zu lassen? Und wenn sie mit ihm redete, würde sie das dann mit ihrer falschen Mama-Paula-Stimme tun oder als Kimberly Lou Dixon?
All diese Fragen gingen Curly durch den Kopf, als sich das Bild auf dem Fernsehschirm vor seinen ungläubig schauenden Augen mit einem Mal auflöste und nur noch heftiges Geflimmer zu sehen war. Wütend schlug er mit einer majonäsebeschmierten Faust seitlich gegen das Gerät, aber das brachte nichts.
Mitten in der Werbung für Mama Paulas Pfannkuchen war das Bild weg. Nicht gerade ein gutes Omen, dachte Curly.
Er fluchte fürchterlich über dieses elende Pech. Seit Jahren hatte er keine ganze Nacht mehr ohne Fernsehen verbracht, und er wusste gar nicht mehr, wie er sich sonst die Zeit vertreiben sollte. Ein Radio gab’s nicht im Bauwagen und zu lesen nichts als eine Zeitschrift der Bauindustrie mit langweiligen Artikeln über wirbelsturmsichere Dachverkleidung und Antitermitenbehandlung für Sperrholzwände.
Curly überlegte, ob er schnell zum Supermarkt fahren und ein paar Videos ausleihen solle, aber um zu seinem Auto zu kommen, hätte er erst das Grundstück überqueren müssen. Es wurde schon langsam dämmerig, und so konnte er sich nicht aufraffen hinauszugehen – nicht, solange diese tödlichen Wassermokassins ihm draußen auflauerten.
Er knüllte das Kissen zusammen und lehnte seinen Kopf gegen die holzverkleidete Wand. Als er so ganz allein dalag in der Stille, kam ihm der Gedanke, ob eine Schlange sich wohl in den Bauwagen schlängeln konnte. Er erinnerte sich, dass er mal von einer Boa Constrictor gehört hatte, die durch die Kanalisation gekrochen und durch den Abfluss einer Badewanne in ein New Yorker Appartement gelangt war.
Bei der Vorstellung spürte Curly einen Knoten im Magen. Er stand auf und tappte vorsichtig zur Tür des kleinen Bades seines Bauwagens. Er legte ein Ohr an die Tür und lauschte …
Bildete er sich das ein oder hörte er auf der anderen Seite etwas rascheln? Curly zog seine Pistole und legte den Finger auf den Abzug.
Doch, ganz bestimmt. Da bewegte sich etwas!
Im selben Moment, als Curly die Tür aufstieß, war ihm klar, dass da keine Giftschlange im Bad war, dass es keinen Grund für Todesangst gab. Dummerweise schaffte diese Neuigkeit es nicht schnell genug von seinem Gehirn bis zum Finger am Abzug.
Der Schuss erschreckte Curly fast genauso sehr wie die kleine Feldmaus, die still auf dem gefliesten Boden saß und nichts Böses im Sinn hatte. Als die Kugel über ihren winzigen Kopf mit den Schnurrbarthaaren hinwegpfiff, flitzte sie davon – ein quiekender, grauer Schatten, der zwischen Curlys Füßen hindurch zur Tür hinausschoss.
Mit zitternden Händen ließ Curly die Pistole sinken und starrte reumütig auf das, was er angerichtet hatte. Er hatte aus Versehen die Toilette getroffen und die Klobrille zerschmettert.
Es würde ein sehr langes Wochenende werden.
Mr. Eberhardt saß an seinem Schreibtisch, als Mrs. Eberhardt mit besorgter Miene zu ihm hereinkam.
»Dieser Polizist ist da«, sagte
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