Eulen
sagen.
»Seit ich klein war«, sagte Fischfinger, »habe ich mit angesehen, wie alles hier verschwindet – die Kiefernwälder, das Unterholz, die Bäche, die Sümpfe. Sogar die Strände, Mann – überall stellen sie diese Hotelkästen auf und lassen nur noch Touristen mit Knete rein. Das ist doch total beknackt.«
»Das passiert überall«, sagte Roy.
»Das heißt aber nicht, dass man sich nicht dagegen wehren kann. Hier, guck doch.« Aus einer Tasche seiner zerrissenen Jeans zog der Junge ein zerknittertes Stück Papier. »Ich hab’s ja versucht, Tex. Ich hab Beatrice dazu gebracht, dass sie ihnen einen Brief schreibt und ihnen alles erzählt, das mit den Eulen und so. Hier, das haben sie zurückgeschrieben, lies selbst.«
Roy strich das Papier glatt, auf dem oben das Logo von Mama Paula zu sehen war. Der Brief lautete:
Sehr geehrtes Fräulein Leep,
besten Dank für Ihren Brief.
Unser Unternehmen, Mama Paulas Pfannkuchenhaus AG, ist stolz auf sein ausgeprägtes Engagement für die Umwelt. Wir werden uns daher nach besten Kräften bemühen, die von Ihnen vorgebrachten Sorgen zu berücksichtigen.
Lassen Sie sich von mir persönlich versichern, dass Mama Paulas Pfannkuchenhaus eng mit den örtlichen Behörden zusammenarbeitet und sämtliche Gesetze, Regeln und Bestimmungen genauestens beachtet.
Mit freundlichem Gruß
Chuck E. Muckle
Stellvertretender Direktor
Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
»Das ist ja vielleicht lahm«, sagte Roy und gab Beatrice’ Stiefbruder das Papier zurück.
»Eben. Das ist so ein – wie nennt man das – ein Formbrief. Kein Wort von den Eulen.«
Die beiden traten aus dem Eiswagen in die Sonne. So weit Roys Auge reichte, waren Schrottautos abgestellt, eine Reihe nach der anderen. Man sah förmlich, wie die Hitze über ihnen aufstieg.
»Wie lange willst du dich hier noch verstecken?«, fragte Roy den Jungen.
»Bis sie mich wegjagen. He, sag mal, was machst du heute Abend?«
»Hausaufgaben.«
In Wirklichkeit musste Roy nur ein kurzes Kapitel durchlesen für Geschichte, aber er brauchte eine Ausrede, damit er zu Hause bleiben konnte. Er hatte so eine Ahnung, als plante Fischfinger einen seiner illegalen Besuche auf dem Grundstück von Mama Paula.
»Für den Fall, dass du deine Meinung noch änderst, kannst du ja bei Sonnenuntergang kommen. Du weißt schon, wohin«, sagte der Junge. »Und bring einen Schraubenschlüssel mit.«
Roy fühlte eine seltsame Mischung aus Angst und Aufregung in sich. Einerseits hatte er Bedenken wegen der Methoden, die Beatrice’ Stiefbruder anwandte, andererseits fand er es auch toll, was der machte.
»Du bist krank gewesen«, sagte er, »du solltest dich noch ausruhen.«
»Quatsch! Als ob ich für so was Zeit hätte.«
»Das funktioniert sowieso nicht so, wie du dir das vorstellst«, hakte Roy nach. »Kann sein, dass du das alles verzögerst, aber aufhalten wirst du sie nicht. Mama Paula ist ein großes Unternehmen. Die geben nicht einfach auf und ziehen woanders hin.«
»Ich auch nicht, Tex.«
»Früher oder später kriegen sie dich, dann stecken sie dich ins Heim und –«
»Dann mach ich die Flatter. So wie immer.«
»Aber vermisst du nicht manchmal ein – na ja – ein normales Leben?«
»Was man nie gehabt hat, kann man auch nicht vermissen«, sagte Beatrice’ Stiefbruder. Roy konnte keinerlei Bitterkeit in seiner Stimme feststellen.
»Vielleicht geh ich irgendwann mal wieder zur Schule«, fuhr der Junge fort, »aber fürs Erste bin ich schlau genug. Vielleicht kann ich keine Algebra, ich kann auch nicht auf Französisch sagen, ›Was für ein niedlicher Pudel‹, und wer Brasilien entdeckt hat, weiß ich auch nicht, aber ich kann mit zwei trockenen Stöckchen und einem Stein Feuer machen. Ich kann auf eine Kokospalme steigen und mir genug frische Milch für einen Monat holen –«
Sie hörten, wie der Motor eines Autos angelassen wurde, und verschwanden blitzschnell im Eiswagen.
»Der Alte, dem der Platz gehört«, flüsterte Fischfinger. »Der hat so eine Allradkiste – supercool, sag ich dir. Der kurvt damit rum wie ein Rennfahrer.«
Als sich das Dröhnen des Fahrzeugs zur anderen Seite des Schrottplatzes hin entfernte, gab der Junge Roy ein Zeichen, dass die Luft rein sei. Über eine Abkürzung führte er ihn zur Öffnung im Zaun und beide schlüpften hindurch.
»Wo willst du jetzt hin?«, fragte Roy.
»Weiß noch nicht. Vielleicht auf Erkundung.«
»Erkundung?«
»Ziele ausgucken, für heute
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