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Eulen

Eulen

Titel: Eulen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiassen
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pechschwarz zugesprühten Fenstern! Und noch immer träumte er davon, den Übeltäter zu erwischen und seiner gerechten Strafe zuzuführen.
    Nachdem Curly sich in seinen bequemen, klimatisierten Bauwagen zurückgezogen hatte, machte sich der Polizist daran, das Grundstück abzugehen. Er folgte immer dem Strahl seiner Taschenlampe, von einem Vermessungspfosten zum nächsten. Er hatte die Absicht, das, wenn nötig, die ganze Nacht lang zu tun, um ganz sicher zu sein, dass niemand sich an den Pfosten zu schaffen machte. Im Auto hatte er fünf randvolle Thermoskannen stehen; der Kaffee würde ihm also ganz bestimmt nicht ausgehen.
    Ein leeres Grundstück zu bewachen war nun wirklich keine besonders glanzvolle Aufgabe für einen Polizisten, das wusste Officer Delinko, aber in diesem speziellen Fall handelte es sich doch um eine äußerst wichtige Arbeit. Der Polizeichef, der Captain, der Sergeant – alle verließen sich auf ihn, dass auf dem Grundstück des Pfannkuchenhauses kein weiterer Unfug mehr passierte. Und es war ihm auch klar, dass er viel schneller vorankommen würde im Amt für öffentliche Sicherheit von Coconut Cove, wenn er diese Aufgabe gut erfüllte. Er sah sich schon mit dem goldenen Abzeichen eines Kommissars herumlaufen.
    Während er so durch die Dunkelheit stapfte, stellte Officer Delinko sich vor, wie er sich in einem maßgeschneiderten Anzug machen würde statt in dieser steifen Uniform. Er hätte auch einen anderen Dienstwagen, zwar auch einen Crown Victoria, aber das anthrazitgraue Modell ohne die Aufschrift »Polizei«, das nur die Kommissare bekamen. Als er gerade mitten in einem Wachtraum von einem Knöchelpistolenhalfter und der dazugehörigen leichten Pistole war, schlug er mit einem Mal einen unfreiwilligen Purzelbaum und landete auf dem Sandboden.
    O nein, dachte der Streifenpolizist, nicht schon wieder.
    Er tastete hektisch nach seiner Taschenlampe, aber als er sie gefunden hatte, funktionierte sie erst einmal nicht. Er schüttelte sie ein paar Mal, dann flackerte die Birne auf, wenn auch nur schwach. Ganz klar, er war wieder einmal in so einen Eulenbau getreten.
    Officer Delinko stand auf und strich sich die Hose glatt. »Nur gut, dass Curly nicht wach ist und das gesehen hat«, murmelte er vor sich hin.
    »Hehe!«, hörte er im nächsten Moment eine leise, raue Stimme.
    Officer Delinko legte die rechte Hand an seine Pistole. Mit der linken richtete er die Taschenlampe dorthin, wo er den unsichtbaren Eindringling vermutete.
    »Keine Bewegung!«, kommandierte der Polizist.
    »Hehe! Hehe!«
    Hin und her zuckte der gelbe Lichtstrahl, aber es war nichts zu sehen. Die asthmatisch klingende, freche Stimme schien aus dem Nichts zu kommen.
    Vorsichtig machte Officer Delinko zwei Schritte nach vorn und leuchtete in den Bau, in den er eben getreten war. Ein Paar bernsteinhelle Augen funkelten ihn aus dem schwarzen Loch an.
    »He!«
    Der Polizist nahm die Hand vom Revolver und hockte sich vorsichtig hin. »Na so was, hallo«, sagte er.
    »He! He! He!«
    Es war eine Babyeule, nicht mehr als zehn, zwölf Zentimeter groß. Noch nie zuvor hatte Officer Delinko etwas gesehen, was so zart war und dabei so vollkommen gestaltet.
    »Hehe!«, sagte die Eule wieder.
    »Hehe!«, antwortete der Polizist, obwohl seine Stimme zu tief war für eine richtige Imitation. »Du wartest wohl auf Mama und Papa, dass sie dir dein Abendessen bringen, stimmt’s?«
    Die bernsteinfarbenen Augen zwinkerten. Erwartungsvoll öffnete sich der gelbe Schnabel und schloss sich wieder. Der kleine runde Kopf drehte sich hin und her.
    Officer Delinko lachte laut auf. Dieser winzige Vogel faszinierte ihn. Er knipste die Taschenlampe aus und sagte: »Keine Angst, Kleiner, ich tu dir nichts.«
    Über ihm hörte er aufgeregtes Geflatter, gefolgt von einem zischenden Ksch, ksch, ksch! Der Polizist schaute auf und sah zwei dunkle Umrisse mit Flügeln, die sich deutlich vor dem Sternenhimmel abzeichneten – bestimmt die Eltern der kleinen Eule, die angstvoll über ihrem erschrockenen Küken kreisten.
    Langsam trat Officer Delinko von dem Bau zurück und hoffte, die erwachsenen Eulen würden merken, dass sie nun sicher landen konnten. Er sah die dunklen Vögel vor dem blaugrauen Himmel, die jetzt immer niedriger flogen, und bewegte sich ein bisschen schneller weg von dem Erdloch.
    Selbst als die beiden Eulen gelandet waren, selbst dann, als er gesehen hatte, wie sie wie gefiederte Gespenster im Boden verschwanden, ging er immer noch weiter.

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