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Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht

Titel: Eulenflucht - Kay, E: Eulenflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Kay
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ertönte ein letztes schrilles Heulen, wobei sich eine Blutlache zu meinen Füßen ausbreitete. Sams Körper bedeckte den Wolf.
    »Sam?«, flüsterte ich.
    Aber Sam antwortete nicht. Er japste und seine Hände krallten sich in den grauen Wolfspelz.
    »Sam?«, rief ich nochmal. »Sag doch was. Ist alles okay mit dir?« Da wandte er mir langsam den Kopf zu. Mein Blut gefror in den Adern. Jetzt sah ich, dass das Blut nicht von Sam war. Der Wolf hatte eine klaffende Wunde am Hals, dort fehlte ein Fetzen Fleisch. Meine Halsschlagader drohte zu zerbersten. Sams Mund war blutverschmiert, seine langen Eckzähne waren unübersehbar und seine Augen strahlten in einem orange-rot, wie … wie ein Vampir.
    Mit einem Satz fuhr ich hoch, ein erstickter Schrei steckte in meiner Kehle. Kalter Schweiß bedeckte meine Stirn und mein Herz jagte im gestreckten Galopp das Blut durch die Adern. Für einen kurzen Moment wusste ich nicht, wo ich war. Gerade eben befand ich mich doch noch auf der Seebrücke mit Sam, Konrad und den Wölfen. Ich rieb mir über die Augen und schaute in das milchige Morgengrauen, welches durch die gläserne Balkontür in mein Zimmer fiel. Scotty ruhte am Fußende des Bettes, schaute mich verschlafen an und gähnte mit weitaufgerissenem Maul. Allmählich begriff ich, dass ich geträumt hatte. Aber es war nicht nur ein Traum. Vielmehr war es die unglaubliche Antwort und gleichzeitig auch die Erklärung auf all meine Fragen. Meine Vernunft meldete sich, protestierte energisch gegen die Erwägung, dass Kreaturen, die gewöhnlich nur in Horror-Filmen vorkamen, wirklich existierten. Aber ich hatte es mit eigenen Augen gesehen,Konrads Verwandlung hatte ich mir nicht eingebildet. Sie war real. Ich ging gedanklich die Liste mit meinen gesammelten wahrgenommenen Absonderheiten durch. Jede der von mir beobachteten Merkwürdigkeiten an Sam und Konrad machte nun einen Sinn. Welche Rolle Curly in dem Spiel einnahm, darüber war ich mir allerdings noch nicht sicher.
    Im Haus war es still, als ich in meine Plüschpantoffeln schlüpfte und mucksmäuschenstill die Treppe nach unten schlich. Scotty überholte mich auf halber Höhe, wobei sein dicker Bauch von einer Seite zur anderen wippte. Mein Kater hockte bereits auf der Arbeitsplatte, als ich die Küche betrat, und fuhr sich in freudiger Erwartung mit seiner rosa Zunge über die Nase. Das Katzenfutter bewahrten wir in der untersten Schublade, gleich neben der Spülmaschine auf. Ich ging in die Knie, öffnete die Schublade und beugte mich vor, um an die Dosen mit dem Futter zu gelangen. Jede Bewegung verursachte Schmerzen, ich fühlte mich wie gerädert. Scotty miaute fordernd und trieb mich zur Eile. Nachdem er sich zufrieden über sein Futter hermachte, setzte ich Teewasser auf und schmierte mir nebenher geistesabwesend ein Marmeladenbrot. Immer wieder ließ ich die Ereignisse des gestrigen Abends vor meinem geistigen Auge ablaufen, doch dadurch erschienen sie nicht normaler. Nicht im Entferntesten. Das Ticken der alten Standuhr, Scottys Schmatzen und das blubbernde Teewasser waren die einzigen Geräusche, die Welt um mich schlief noch tief und fest. Das von mir Erlebte schien im harten Kontrast zu der heimischen Idylle zu stehen, die mich umgab. Curly hatte mir versprochen, dass sie mir heute alles erklären würde. Solange musste ich noch durchhalten. Dieses Mal würde ich mich nicht abwimmeln lassen, versprach ich mir. Dieses Mal würde ich endlich die ganze Wahrheit erfahren.
    Nach dem Frühstück beschloss ich, die Küche und das Wohnzimmer aufzuräumen. Meine Eltern würden am Mittag von dem Kongress wiederkommen und ich hätte bis dahin eine Ablenkung, die mich vom Grübeln abhielt, hoffte ich. Als ich gerade die Polster in unserem Wohnzimmer absaugte, lugte mein Bruder verschlafen um die Ecke. Ich stellte den Staubsauger ab. Nik beschwerte sich, dass er bei dem Lärm (mitten in der Nacht) nicht schlafen könnte. Außerdem beklagte er sich darüber, dass ich ihm gestern Abend wiedereinen Riesenschrecken eingejagt hätte, und wollte wissen, wie ich schon wieder auf diese Schnapsidee gekommen wäre, bei Wind und Wetter alleine und zu Fuß nach Hause zu laufen. Und noch dazu am späten Abend. Ich bemühte mich betreten und reumütig zu wirken, während ich ihm die offizielle Geschichte erzählte, so wie ich es mit Curly abgemacht hatte. Zwischen schuldbewussten Blicken und Versprechungen, so etwas nie wieder zu tun, klingelte das Telefon. Bestimmt Curly. Nik torkelte unter

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