Eulenspiegel
als Aufmacher. Auf der Titelseite kein gnädiges Portrait, sondern der Mann in voller Lebensgröße mit heruntergelassenen Hosen und Seidenschleife.
Toppe beteiligte sich nicht an der allgemeinen Hetze. Er warf nur einen angewiderten Blick auf das Geschmiere und ging nach oben zu seinem Büro.
Schon auf dem Flur hörte er das Telefon klingeln, aber er ließ sich Zeit, schloß in aller Ruhe die Tür auf, hängte die Jacke in den Schrank, schaltete sein Terminal ein, dann erst nahm er den Hörer ab. Es war die Chefin.
»Herr Toppe, ich habe hier bei mir einen Herrn Birkenhauer, der eine Anzeige erstatten möchte.«
Toppe hielt einen Moment verblüfft die Luft an. Birkenhauer? »Eine Anzeige bei mir?« wunderte er sich.
»Die Kollegen von der Wache haben die Situation sofort richtig eingeschätzt und den Herrn ans K 1 verwiesen.«
Die Kollegen von der Wache hatten sich vermutlich vor Lachen in die Hosen gepinkelt, als Birkenhauer bei ihnen aufgetaucht war.
»Darf ich den Herrn jetzt zu Ihnen schicken?«
»Ja«, antwortete Toppe, immer noch verwirrt. »Ja, natürlich.«
Meinhards Ton hatte ihm gar nichts verraten.
Birkenhauer hatte einen breitkrempigen Filzhut auf dem blanken Schädel und eine grüne Plastiktüte in der Hand. »Bei Ihnen muß ich mich ja sicher auch nicht vorstellen«, war seine ganze Begrüßung.
»Guten Morgen, Herr Birkenhauer. Mein Name ist Toppe. Bitte nehmen Sie Platz.«
Der Mann war nicht zerknirscht, er war sehr wütend. Heftig riß er sich den Hut vom Kopf. »Damit wir’s hinter uns haben!«
Der Irokesenkamm war jetzt abrasiert, aber das Färbemittel hatte auf der Kopfhaut einen breiten, rosa leuchtenden Streifen hinterlassen.
»Na los, lachen Sie schon!«
»Warum soll ich lachen?« meinte Toppe achselzuckend. »Ich finde es nicht komisch.«
»Da sind Sie bestimmt der einzige in der ganzen Stadt.«
Endlich setzte Birkenhauer sich auf die Stuhlkante. Die Tüte bettete er vorsichtig in seinen Schoß.
»Ich erstatte Anzeige wegen Körperverletzung und Rufmord.«
»Gegen wen?«
»Gegen Unbekannt. Ich bin überfallen worden.«
»Am Freitag?«
»Ja, auf der Toilette im Festzelt. Jemand hat mich mit Schnaps abgefüllt. Ich kann beweisen, daß ich den ganzen Morgen nichts getrunken habe. Zig Zeugen bringe ich Ihnen dafür.«
»Sie sind also überfallen worden. Wieviele Leute waren es?«
Birkenhauer druckste. »Weiß ich nicht, kann ich nicht sagen. Bemerkt habe ich nur einen.«
Toppes Blick umfing Birkenhauers ganze Gestalt und verweilte lange auf den kräftigen Händen.
»Helmut?« ging die Tür auf. »Wenn du nicht …« Van Appeldorn stutzte verblüfft, dann grinste er. »Ach, der Herr Birkenhauer! Wie nett, Sie schon so bald wiederzusehen.«
»Die Freude ist ausschließlich auf Ihrer Seite. Arbeitet der Mann bei Ihnen?« Er sah Toppe giftig an.
Der nickte nur. Natürlich, Norbert hatte ja die vier Unternehmer befragt.
»Dann glauben Sie wohl auch, daß ich schmutzige Geschäfte mache?«
»Ich glaube gar nichts. Ich bearbeite einen Raubüberfall, bei dem jemand zu Tode gekommen ist.« Dann wandte sich Toppe an van Appeldorn: »Wo brennt’s denn?«
»Laß mal«, winkte der ab. »Das hat noch eine halbe Stunde Zeit. Ich warte auf dich im Büro. Bis bald, der Herr.«
Hans Birkenhauer sah noch wütender aus. »Dann schildern Sie mal, was Ihnen passiert ist«, forderte Toppe ihn auf, nachdem van Appeldorn wieder draußen war.
»Da ist nicht viel zu schildern. Ich bin auf die Toilette gegangen …«
»War außer Ihnen noch jemand im Toilettenraum?«
»Muß ja wohl, aber ich habe niemanden gesehen oder gehört. Ich stehe am Pissoir, und auf einmal packt mich einer von hinten um den Hals. Ich kann mich gar nicht mehr umdrehen, da habe ich schon so einen Lappen vor der Nase, der widerlich süß stinkt. Und von da an weiß ich nichts mehr. Ich bin erst im Krankenhaus wieder zu mir gekommen, in der Nacht darauf. Da will mich einer fertigmachen, verstehen Sie? Kaltstellen, abschießen, meine Existenz ruinieren!«
Aber Toppe schüttelte den Kopf. »Wer sollte denn wohl ahnen können, daß und wann Sie zur Toilette gehen?«
Birkenhauer sah betreten zu Boden. »Ich bin angerufen worden.«
Toppe übte sich in Geduld.
»Am Donnerstag abend habe ich einen Anruf bekommen, von einem Mann. Er sagte, ich sollte um Punkt halb zwölf auf die Toilette gehen, sonst würde es bei der Preisverleihung eine böse Überraschung geben. Das habe ich gemacht, aber da war kein Mensch. Und. und
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