Eulenspiegel
daß er der Stimmenähnlichkeit nicht mehr Beachtung geschenkt hatte, der Tatsache, daß einer der beiden Räuber vom Niederrhein kommen mußte, daß ihn das dilettantische Vorgehen nicht stutzig gemacht hatte. In seinem ganzen Frust über die neue Arbeitsweise, über die Chefin und all die unsinnigen Veränderungen hatte er seinem Instinkt nicht mehr getraut.
Aber er spürte nicht nur Ärger, da war auch bei ihm klammheimliche Freude: Das hatte die Meinhard jetzt davon!
Astrid war noch nicht wieder aus Köln zurück, und auch Gabi war nicht zu Hause. Seit sie mit Henry zusammen war, gab sie auf dem Hof nur noch Gastspiele.
Oliver fläzte sich im oberen Wohnzimmer auf der Couch und guckte irgendeinen Science-Fiction-Film. »Ich hab Astrid in der Show gesehen. War stark!«
»Hast du’s aufgenommen?«
»Nö, wieso? Du hast mir nichts davon gesagt.«
Toppe verdrehte die Augen und verzog sich grummelnd in sein Zimmer.
Also gut, den Postraub konnten sie zu den Akten legen. Blieb Eulenspiegel; Eulenspiegel, der immer mehr die Kontrolle verlor.
In den Zeitungen war für die nächsten Wochen kein Großereignis angekündigt worden. Aber vielleicht würde Eulenspiegel sein Operationsgebiet ja erweitern, jetzt, wo man ihn zum Fernsehhelden machte. Einen größeren Gefallen hätte man ihm nicht tun können.
Im Grunde gab es nur eine Möglichkeit.
Als Astrid um Mitternacht nach Hause kam, war Toppe im Sessel eingeschlafen.
Sie weckte ihn sanft und kuschelte sich auf seinen Schoß.
»Hallo, Fernsehstar.«
»Von wegen! Ich war höchstens drei Minuten auf Sendung. Den Rest der Zeit hab ich in der Garderobe rumgesessen und gewartet. Ich durfte ganz kurz die einzelnen Anschläge schildern, und dann diskutierte eine Expertenrunde, irgendwelche Psychologen. War ziemlich seicht, das Ganze. Aber dann kam so ein Fatzke und hat gemeint, ich sollte doch mal zu einem Casting für Moderatoren kommen. Ich hätte diese gewisse Ausstrahlung.«
Toppe schob ihr Haar zur Seite und küßte ihren Nacken. »Das kann ich unterschreiben.«
Sie kicherte leise. »Und was hast du heute getrieben? Hast du dich gelangweilt?«
»Nein, ich konnte mich beschäftigen. Wir haben heute abend die Posträuber festgenommen, wenn mich nicht alles täuscht.«
»Was?« Sie rutschte von seinem Schoß. »Das ist doch ein Scherz, oder?«
Am nächsten Morgen um halb elf rief sie ihn aus dem Präsidium an. »Wir haben zwei runde Geständnisse, Helmut. Norbert hat früh um sieben schon angefangen. Da waren die beiden noch gar nicht wieder ganz nüchtern. Ich habe mir eben den Mitschnitt angehört. Norbert war verdammt widerwärtig.«
»Aber erfolgreich«, meinte Toppe. »Du kennst ihn doch.«
»Aber er hätte sie nicht fragen müssen, ob sie in dem Suff überhaupt noch einen hochgekriegt haben, oder?«
Toppe antwortete lieber nicht darauf. »Woher wußten Tripp und Bäcker von dem Geldtransport?« fragte er statt dessen.
»Tripp hatte ein paar Nebenjobs, die er über Mundpropaganda kriegte. Unter anderem hat er auch bei Hoymann den Garten gemacht. Und da hat er letzten Sommer aufgeschnappt, wie Hoymann seinem Sohn was erzählte von ein paar hunderttausend Mark und Kranenburg und Postauto. Den Rest hat er sich zusammengereimt, als Bäcker von einem Heimaturlaub bei seinen Eltern zurückkam und von dem Raub in Dormagen berichtete. Besonders helle sind die beide nicht. Wenn du die hörst, kannst du eigentlich gar nicht glauben, daß die das Ding gedreht haben. Wie die wochenlang die Post in Kleve beobachtet haben, wie sie auf dem Fahrrad hinter allen möglichen Postautos hergedüst sind. Abwechselnd, weil sie nur ein Fahrrad besaßen. Bis sie schließlich den richtigen Wagen ausgekundschaftet hatten. Da haben sie dann ein Auto geknackt, sind dem Transport nach Kranenburg gefolgt und haben beobachtet, wie die Geldkassetten ausgeladen wurden. Der Raub war übrigens schon der zweite Versuch. Beim ersten Mal hatte es mit dem Ausbremsen nicht geklappt, weil sie übersehen hatten, daß die Ampel in Nütterden eine Fußgängerampel ist, und sie ums Verrecken nicht auf Rot umsprang. Deshalb hat diesmal Tripp an der Ampel gewartet und im rechten Moment den Knopf gedrückt. Ich bring dir die Abschrift mit. Dann hast du heute abend was zu lachen.«
Eine Stunde später stand plötzlich Lowenstijn bei Toppe vor der Tür.
»Wie komme ich denn zu der Ehre?« Toppe war sich nicht ganz sicher, ob er sich über den Besuch freute.
Lowenstijn feixte. »Ich könnte sagen,
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