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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Petery
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gesetzt worden war, stand genau gegenüber, dazwischen plärrte der Fernseher vor sich hin. Durch den Türrahmen sah ich wieder auf eine Tür. Ich wusste, wohin sie führte. Auf ihr war nämlich eine silberne Plakette in der Form eines Jungen befestigt, der in einen Nachttopf pinkelte. Ich fand dieses Schild vulgär und beschloss, hier unter keinen Umständen auf die Toilette zu gehen. Ich kann bis heute Abend warten.
    Jetzt musste ich mich auf den Fernseher konzentrieren. Das war die Aufgabe, die Sabine mir gestellt hatte. Ich musste brav sein. Musste ein gutes Kind sein.
    Zuerst lief Biene Maja. Dann kam eine Bastelsendung. Dann noch eine Folge Biene Maja. Dann irgendwas mit Pinguinen. Dann mit Bären. Dann schlief ich ein.
    In meinem Traum bin ich sehr klein. Ich bin so klein, dass ich in die Handfläche meiner Mutter passe. Ich fühle mich geborgen. Meine Mutter spannt den Handrücken an, und ich rolle ihre Finger entlang. Die Fingerkuppen stoppen mich. Meine Mutter nimmt mich zwischen Daumen und Zeigefinger und dreht mich um ihren Mittelfinger, ich sehe rundherum nur noch Haut, fleischfarben und ledrig. Kopfab, kopfauf, kopfab, kopfauf, immer rundherum. Wenn nur der Glockenlärm aufhören würde. Es ist zu laut. Meine Mutter
ist plötzlich fort, ich liege allein in der Dunkelheit. Ganz in der Ferne taucht eine Figur auf, die aus sich heraus zu strahlen scheint. Sie kommt unerträglich langsam näher, mit gleichmäßigen, eckigen Schritten. Es ist ein kleines Mädchen. Nein. Eine Porzellanpuppe in der Gestalt eines Mädchens. Sie ist sehr hübsch. Ihre Lippen sind leicht geöffnet und zeigen die unendlichen gerade Reihen scharfer, weißer Zähnchen. Sie bleibt vor mir stehen. Sie lächelt auf einmal mehr. Und mehr. Sie hebt synchron ihre zwei Händchen, steckt sich die Daumen in die Mundwinkel und schneidet mir eine Grimasse. Sie zerrt an ihrem Mund, und er wird breiter und breiter, immer mehr Mund, sie kann ihn sich über den Kopf ziehen, sie stülpt sich die Lippen über ihr Gesicht, und es ist fort, und ihr Kopf ist leer. Nur eine Glocke hängt darin und schlägt, bing, bing, bing.
    Mein Schrei weckt mich auf. Ich habe geweint und mir in die Hose gemacht. Der Sofabezug ist nass. Es ist zu heiß. Sabine telefoniert aufgeregt mit meiner Mutter. Sie redet zu bemüht, zieht die Vokale zu lang und stolpert über die Konsonanten. Sie beugt sich über mich, und ich kann nicht aufhören zu schreien.
    Meine Mutter spricht kein Wort mit Sabine. Sie stopft mich in den Schneeanzug und die Stiefel. Sabine steht wieder in der Tür, sieht zu, wie meine Mutter mich die Treppe hinunter trägt.
    Am Abend habe ich mich wieder beruhigt. Ich esse mit dem Heißhunger der Erschöpfung, während meine Mutter im Gemüse stochert und mein Vater schimpft.
    »Natürlich hat sie sich volllaufen lassen. Wie kannst du so jemandem vertrauen? Was, wenn wirklich etwas passiert wäre? Man darf diesen Menschen nicht vertrauen. Alkoholiker!
Ich bin froh, dass wir jetzt wieder zusammen sind. Als Familie. So, wie es sich gehört.«
    Ich musste danach nie wieder zu einer Tagesmutter. Meine Mutter ist am ersten Februar nicht zu ihrer Arbeit gegangen. Mein Vater hatte unsere Familie gerettet.
    Die Flasche ist mir aus der Hand gerutscht. Ich war wohl gerade eben etwas abwesend. Das muss aufhören. Ich darf mich nicht mehr erinnern. Es ist vorbei, okay, es ist weg, das alte Leben. Ich bin hier. Im Jetzt. Immer nur im Moment. Der Moment gehört mir!
    Der Aufprall des Glases auf dem Parkett war wie ein Blitz, das Zerspringen der Flasche in Tausende kleine Scherben wie Donner. Ein paar größere Stücke Glas werden von dem Etikett zusammengehalten. Der Rest liegt mit winzigen Wodkatropfen vermischt auf dem Boden, auf der herunterhängenden Bettdecke, auf meinen Füßen. Einen Splitter sehe ich aus dem Augenwinkel durch die Luft fliegen. Dann rammt er sich senkrecht in den Boden, zittert leicht, verharrt dann. Ich muss ihn da wieder rauskriegen. Das wird ein Loch hinterlassen. In ihm tanzt die letzte Elfe, noch gefangen im ewigen Eis, in einem Tropfen, der unweigerlich nach unten ins Meer fließt. Ich versuche, zu dem flachen Miniatureisberg zu gelangen, ohne mir die nackten Zehen aufzuschneiden. Mein Zimmer ist mit Diamantenstaub übersät. Reste einer heilen Welt. Zerriebene Träume. Meinen linken Fuß kann ich nur auf die Außenkante stützen, der schmale Rist wird von zwei Häufchen spitzer Glaszacken bedroht. Mit ausgestreckten Armen beuge ich mich

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