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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Taylor
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Sonne von meinem genesenden Körper fernhält. Irgendwann öffnet er dann die Tupperdose mit den Sandwiches, die er jeden Morgen zubereitet. Wir teilen sie uns und unterhalten uns über Eidechsen. Abends hocken wir auf einer Bank am Straßenrand und essen schmierige Tortillas und fettige Chips, trinken Dosenbier und lassen uns vom Staub einhüllen. Er zählt die silberfarbenen Autos, die vorbeifahren, und an den meisten Abenden redet er vom Angeln.
    Damit kennt Craggsio sich aus.
    Ich spiele den Parcours vierundachtzig Tage in Folge, achtmal am Tag. Ich bin nicht stolz darauf. Ich bin auf gar nichts mehr stolz. Selbst der Sex zieht mich runter, denn das Versteckspiel zwingt mich, meine Kanone in weitaus unspektakuläreren Gefährten als früher zur Explosion zu bringen. In der Empfangsdame von der Nachtschicht etwa. Die mit dem Buckel. Und der Putzfrau mit dem penetranten Polyester-Geruch. Mir bleibt nichts anderes übrig, mit meinen billigen Sportklamotten, mittellos, ohne Selbstwertgefühl.
    Es bricht mir das Herz.
    Ich verkaufe die Hublot-Big-Bang-King-Power-Armbanduhr.
    Mein Manager hat immer noch nicht angerufen. Hat er mich wie alle anderen fallengelassen? Das heißt, alle außer Craggsio, der – durch eine schreckliche Wendung des Schicksals – jetzt mein einziger Freund ist.
    Ich bin nicht mehr Kev King, der Schrecken der Premier League, der Frauenheld. Kev auf dem direkten Weg zur Euro 2012. Ich bin jetzt jemand anders. Und ich habe keine Ahnung, wer dieser Jemand ist.
    Aber was wirklich erschreckend ist: Es ist mir egal. Ich weiß jetzt, wo ich hingehöre und träume nicht länger von der Zone eins. Auch nicht davon, mit Trudie Styler und Sting auf ihrem Anwesen, Il Poggio , in der Toskana zu Mittag zu essen.
    Inzwischen ist es Abend. Ich bin müde, liege auf meinem Doppelbett und denke darüber nach, wie ich Loch fünf – das durch den Dickdarm eines übergroßen Rhabdodon verläuft – mit einem Birdie spielen kann, als Craggsio mit niedergeschlagenem Gesichtsausdruck ins Zimmer zurückkehrt.
    »Jetzt haben sie auch deine letzte Kreditkarte gesperrt, Kingy«, sagt er, während er an sein Bett tritt.
    Es musste ja so kommen. »Das war’s dann wohl für dich«, sage ich und versuche dabei, ruhig zu klingen. »Ich kann dich nicht mehr bezahlen.«
    Er antwortet nicht, sondern legt sich nur hin und blättert in einer Anglerzeitschrift.
    Er ist klasse, er will nicht gehen, aber er muss. Ich meine, er muss ja von irgendwas leben. Und wenn er weg ist, was dann? Ohne Geld und ohne Mitstreiter. Was soll ich dann tun?
    Ich ziehe das Vertu Constellation Precious aus meiner Primark-Shorts und starre es an. Warum nicht die Handys verhökern? Damit hätten wir für ein paar Tage was zu beißen. Doch dann kommt mir ein absolut finsterer Gedanke …
    Ich stecke das Vertu wieder in die Tasche und schaue zu Craggsio rüber, wie er in seine Zeitschrift vertieft ist. Unauffällig greife ich unter das Bett und spüre die glatte Vinyl-Oberfläche der Gola-Tasche, die prall mit schmutzigem Geld gefüllt ist. Drei Millionen Euro. Was spricht dagegen, es auszugeben? Man hat mich der Spielmanipulation beschuldigt, warum sollte ich also nicht in den Genuss des Bestechungsgeldes kommen? Warum nicht das Geld verjubeln und den Lifestyle ankurbeln? Und mit Trudie und Stink zu Abend essen, vielleicht in Stylers Lieblingsladen, dem La Colombe d’Or in Saint-Paul de Vence.
    Ich lasse meine Hand über die Gola-Tasche gleiten, umfasse den Griff und ziehe sie unter dem Bett hervor. Ich betrachte sie und ziehe am Reißverschluss. Ich meine, warum nicht?
    Aber … aber … aber … In meinem Gehirn macht es klick, und plötzlich liegt alles vollkommen klar vor mir. Ich springe auf, die Tasche in der Hand, schlüpfe in die Billig-Turnschuhe und stürze keuchend zur Tür.
    »Was ist los, Kingy?«, schreit Craggsio. »Was ist los?«
    Ich antworte nicht, sondern renne den Flur dieses armseligen Hotels entlang, laufe die staubige Treppe hinunter und schlängle mich durch den kitschig eingerichteten Empfangsbereich. Draußen sprinte ich über die Baustelle neben unserem Hotel. Im Mondlicht wirken die halbfertigen Apartments bedrohlich. Und die Kräne einfach wie Kräne, um ehrlich zu sein.
    Als ich die Straße erreiche, krame ich in meiner Tasche nach dem letzten sauberen Euro-Schein, stürze in den Open All Hours – den Laden für die Exil-Engländer, wo Craggsio Toastbrot auf Pump kauft –, und als ich habe, was ich brauche, haste ich hinaus

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