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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Taylor
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Und wenn ja, ist er der Einzige? Denn während Vik Dink mir die Anschuldigungen der Zuschauer übersetzt hat, wirkte er nicht sonderlich schockiert.
    Als dann die gegnerische Mannschaft – die Ows oder was weiß ich – eine Hundertprozentige vergibt, eine Chance, die ein toter Eisläufer reingemacht hätte, mache ich mir ihretwegen ebenfalls Gedanken. Sind es ebenfalls Betrüger? Haben sie absichtlich vorbeigeschossen? Und hat der Schiri nicht zwei lupenreine Elfer verweigert? Es scheint, als wolle hier keiner ein Tor schießen, als würde der Schiri jeden erfolgversprechenden Angriff unterbinden.
    Es ist zum Kotzen.
    Doch noch schlimmer ist, dass aus den Reihen des Publikums nach einer Stunde ein blechernes Brummen ertönt, das immer mehr anschwillt. Was ist das? Was ist das für ein Gekrächze? Dieses aufgeregte, abgehackte Gequäke in der Menge? Dann kapiere ich es …
    Verfickte Scheiße. Die Menge, die Zuschauer – in ihren Chelsea- und ManU-Trikots – hören im Radio die Premier League. Irgendein Spiel hat gerade begonnen, und nun lauschen sie mit ihren Transistorgeräten und gespitzten Ohren Jimmy Armfield, dem Gentleman-Kommentator und ehemaligen Musterprofi mit seiner durchdringenden Stimme. Sie schenken ihrer eigenen Mannschaft kaum noch Beachtung. Die Premier League verspottet mich, nachdem ich aus ihr verbannt wurde, selbst hier noch, auf diesem Platz mitten am Arsch der Welt.
    Tolle Fans sind das.
    Das Spiel endet 0 : 0.
    Ich habe einen rabenschwarzen Tag erwischt. Abgesehen von meiner Bananenflanke ist mir alles misslungen. Ich war wie gelähmt.
    Mit hängendem Kopf trotte ich durch den Nieselregen vom Platz. Warum bin ich überhaupt hierhergekommen? Wegen der Kohle natürlich. Aber auch, weil ich hier wieder Fußball spielen kann. Aber werden hier Partien verschoben? Warum erzählt mir El Presidente nicht, woher er weiß, dass ich unschuldig bin? Was hat Shishakli damit zu tun? Und wo steckt der Wichser, der Typ mit dem grausamen Kinn?
    Fragen über Fragen.
    Ich bin fast an der weißen Linie der klapprigen Tribüne angekommen, als sie ihren Gesang anstimmen, die Fans mit den Premier-League-Trikots. Es scheint, als würden sie mir das Wort für Betrüger entgegenbrüllen. Zugegeben, ich habe einen miesen Tag erwischt, aber ich habe nicht ab sichtlich schlecht gespielt. Ich habe nicht wie dieser Murman den Ball von meinem Kopf weit neben das Tor prallen lassen.
    Ich mustere die Zuschauer. Ist der Wichser irgendwo unter ihnen? Nein.
    Ich werde mir das nicht gefallen lassen. Ich starre Richtung Tribüne und gebe ihnen mit einer Geste zu verstehen, dass sie mich mal am Arsch lecken können. Ich rufe: »Ich bin kein Betrüger, ihr Assis.«
    Das scheint ihnen zu gefallen. Einige lächeln, fangen an zu klatschen. Gut so, ich habe ihnen meinen Kampfgeist demonstriert. Der Jubel schwillt an und wird immer lauter, als plötzlich Craggsio auftaucht, langsam zum Spielfeldrand läuft und auf mich zukommt.
    Und dann? Was zum Henker ist das?
    »Craggsy! Craggsy!«, ruft einer von ihnen.
    »Craggsy, wink mal«, brüllt ein anderer Wichser in seinem gebrochenen Tribünen-Englisch. Die anderen stimmen mit ein. Der Gesang breitet sich wie Fieberwahn aus, wie ein Virus geht er über die ganze Tribüne. Es dauert nicht lange, bis alle siebenhundertdreiundfünfzig dieser Premier-League-liebenden Loser Craggsio grölend auffordern, ihnen zuzuwinken.
    Er kommt ihrer Bitte nach, indem er sich umdreht, verlegen lächelt und mit der Hand herumfuchtelt. Worauf die Zuschauer noch lauter jubeln, während ich – ihr neuer Star – durchnässt dastehe, verschmäht und ignoriert am Tag seines Debüts, neben diesem ehemaligen Geflügel-Packer, der auf bizarre Weise verehrt wird.

Zeitgenössische Snacks
    »Treten Sie ein, Kev, und nehmen Sie Platz.«
    Er hockt in dem palastähnlichen Raum hinter seinem Maple-And-Co.-Schreibtisch, eine Halbbrille auf der Nase, um sich herum ausgebreitete Papiere. Ich setze mich auf den Buchenholz-Stuhl und schaue El Presidente an. So langsam dämmert mir, was es mit dem Burschen auf sich hat, also frage ich ihn ganz unverblümt: »Sie sind wirklich der König?«
    Er lächelt, so nach dem Motto »Tja, das ist etwas kompliziert«, reißt sich mit der theatralischen Geste eines Soap-Darstellers die Brille von der Nase und blickt mich vornehm an.
    »Ich bin ein Nachfahre der königlichen Familie. Unsere Linie lässt sich über achthundert Jahre zurückverfolgen. Wir wurden von den Sowjets vom Thron

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