Euro Psycho
stirbst du jetzt.
Keiner wird dich vermissen. Keiner. Ökonomisch bist du ein Leergewicht, du bist nichts wert. Du bist scheiße und tot und ich bin hochzufrieden.
Aber als ich dich dann in dieses ukrainische Algen-Grab hineinrolle, dich reinplatschen höre und zur Spitze des Hügels zurückkehre, um sicherzustellen, dass deine Zigarette aus ist, fühle ich mich nur noch müde. Weil ich nur noch zwei Spiele habe, um meinen Namen wiederherzustellen. »Konzentriere dich aufs Spiel«, höre ich jetzt die Stimme von Keegan sagen, der ungebeten wieder kraftvolles Leben in mich hineinmurmelt.
»Konzentriere dich aufs Spiel«, sagt er erneut, die Worte erheben sich aus meinem Inneren, mein unsichtbarer Mentor tadelt mich. Ich wusste, dass er das tun würde.
Denn das letzte Mal, als ich mich sozusagen abseits der Piste bewegt habe, war, um den Muschifreund zu töten, der Socken in Kombination mit seinen Espadrilles trug. Damals half mir Keegan, meinen Ruf wiederherzustellen, indem er meine Energie umleitete, statt sie in einem Schwall von Morden als Pro-Lifestyle-Ordnungshüter zu vergeuden.
Aber dieses Mal, weißt du was?
Erstens bist du zu spät, Kumpel, und zweitens: »Fick dich Keegan«, sage ich.
Was? Was? Würdest du das sagen, wenn du nicht weiter Richtung Grund des Weihers sinken würdest?
»Was, Kev?«, fragt Keegan, zumindest tut es seine erstaunte geisterhafte Stimme.
»Hast du nicht gehört, Keegan, fick dich einfach.«
»Warum?«, fragt Keegan, seine Stimme klingt getroffen, weinerlich, betäubt.
Warum wohl? Warum habe ich mich von meinem mich lenkenden Geist abgewandt?
Ich werde es erklären: Als Keegan im Oktober 2000 für den Job des England-Trainers als zu schwach befunden wurde, als er im allerletzten Spiel im alten Wembley-Stadion gegen Deutschland verloren hatte, was hat er da gemacht?
Er ist als Trainer zurückgetreten. Hat eingepackt. Ist davongelaufen. Das hat er gemacht.
Aber dann, am 11. Juni 2012, als Kev King einen Katastrophenkick als Spieler und Trainer hinlegte, ein so schlechtes Spiel, dass an ein Weiterkommen nach der Gruppenphase nicht mehr zu denken war. Was hat er da gemacht?
Berufe ich etwa eine Pressekonferenz ein, blase ich alles ab und gehe nach Hause, um einen Männerabend mit den Verkäuferinnen zu verbringen? Versinke ich in weinerliches, reizbares Selbstmitleid? Oder gestehe ich vielmehr meine Fehler ein, gebe nicht nach, komme raus, um zu kämpfen, und bewahre die Integrität des Fußballsponsorings mit dem XSF Punch-Dagger?
Ich machte letzteres.
Und jetzt, als ich auf diesem Hügel stehe und zurück zur Donbass Arena starre, höre ich die Stimme von Keegan gedämpft und beruhigt in mir. Ich denke, dass es vielleicht Hoffnung gibt. Vielleicht gibt es einen Weg aus der Gruppe heraus, einen Weg, meinen Ruf wiederherzustellen?
Ich weiß noch nicht, was genau es ist, aber solange du im Spiel bist, kannst du es auch gewinnen.
Und, ja, es ist wahr. »Ich bin einfach nicht gut genug gewesen.«
In Ordnung. Aber das war heute. Morgen ist ein anderer Tag, ein anderes Spiel. Also such weiter, oh mein Kev, nach einem Riss am Ende des Tunnels, nach einem Licht im Panzer.
Dunkle Strömung
Der Schiri pfeift ab, steckt die Pfeife in die Hosentasche und geht Richtung Mittelkreis.
Die BeJoshis fallen auf ihre Knie. Unsere Fans auf der Südtribüne der Donbass Arena jaulen wie zu Unrecht pürierte Baummarder. Weil es einen Raubüberfall gegeben hat. Einen Raubüberfall bei Flutlicht.
Ich schlage mich durch Richtung Mittelkreis, nähere mich dem Mann in Schwarz.
»Aber … aber … warum?«, stammele ich.
Der Schiri weiß, was ich meine. Warum hat er meinen großartigen Kopfball in der letzten Minute nicht gegeben? Und warum hat er Abseits gepfiffen, als Hagops gefühlvoller Volley in der zweiten Halbzeit ins Netz gerauscht war? Warum hat er uns in Kürze zwei reguläre Tore gestohlen, die den Sieg über den WM -Finalisten von 2010, die Holländer, gebracht hätten?
Aber torlos ist es geendet, unser zweites Todesgruppenspiel. Wir waren unfähig, uns an der schieren Masse der schiedsrichterlichen Parteilichkeit vorbeizumogeln. Ich starre den Schiri an, starre ihn furchterregend an, und dann steht der holländische Kapitän Mark van Bommel bei mir, der gelockte Titel-Sammler aus vier großen Ligen, der einzige Nicht-Deutsche, der jemals Kapitän von Bayern München war.
Ich drehe mich zu van Bommel um, neige mich ihm zu, als er die Hand des Schiris schüttelt: »Cruyff wird
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