Euro Psycho
Besprechung nach dem Italien-Spiel, während du …«
»… draußen warst … Medientermine. So ’ne Scheiße.«
»Während du bei der Presse warst … Wir dachten, wir hätten dich enttäuscht.«
»Weil ihr mein sorgfältig entwickeltes Hybrid-Fußballsystem nicht verinnerlicht hattet, meinst du?«
»Ja.«
»Bei der großen Gelegenheit gekniffen habt, meinst du? Gespielt wie verängstigte Hermeline. Baby-Hermeline.«
»Ja, Kev. In Ordnung. Wir haben’s verstanden. Wir wissen, dass wir scheiße waren.«
»Aber nicht heute, Vik. Jungs, ihr wart riesig. Ihr habt euch eure Augen fürs Team rausgerissen, habt sie mit Thymian-Biobutter bestrichen, habt sie in einem Holzkohle-Tandruofen geröstet. Ihr … Was ist das?«
Ich mache eine Pause bei meinem Aufrüttelprogramm, schlage mich durch zur offenen Kabinentür, die Jungs bleiben perplex hinter mir. Ich lasse sie zurück, erreiche den Gang, gehe ihn runter, die geometrisch konfigurierten Stollen meiner AdiZero F50 klappern und rutschen ein wenig über den Boden. Aber was habe ich gerade nur kurz an der offenen Kabinentür vorbeiflitzen sehen? Was war das?
Ich werde es euch sagen: ein Arm.
Ja, ich weiß. Alltäglich. Aber nur dem Anschein nach. Denn an diesem Allerweltsarm prangte ein Franck-Muller-Conquistador-Cartez-Chronograph- 10000-KCC-RG in 18 Karat Rotgold mit silbernem Sunburst-Ziffernblatt.
Was bedeutet: eine Uhr, eine recht kostspielige dazu.
»Also was?«, werdet ihr euch immer noch fragen, während ich mich zum Ende des Gangs bewege, der Uhr nachgehe zum VIP -Bereich des Stadions. »Zumal sich gerade im Moment«, könntet ihr hinzufügen, »so kurz nach dem Spiel, eine sehr große Anzahl von Luxusuhren in der Donbass Arena befinden werden. Insbesondere, wenn man sich dem besonders privilegierten Club-Prestige-Hospitality-Bereich nähert, wo beste Sitzplätze kombiniert werden können mit einem Weltklasse-Gourmet-Erlebnis zu einem unvergleichlichen Spieltagsgesamtpaket.«
Wenn ihr das sagt, wird schon was dran sein. Hochwertige Uhren gehören dazu wie Nutten und Steuertricksereien bei der Klientel auf den Business Seats der Spitzenklasse. Aber stellt euch vor: Der Franck-Muller-Conquistador-Cartez-Chronograph war nicht am Handgelenk eines Superreichen.
Er hing an dem des Schiris.
Ja! Frisch geduscht und gekämmt rast er hoch in den Club-Prestige-Hospitality-Bereich. Er trägt eine geschmackvolle Uhr. Eine Uhr weit oberhalb seiner Liga. Und habe ich nicht breite weiße Streifen am Handgelenk eines anderen Schiris gesehen? Einem Handgelenk, das anzeigt, dass eine übermäßig teure Uhr ganz gewöhnlich getragen wird?
Ja. Es war im Ligaspiel. Der Schiri, der mein Kopfballtor nach der Flanke von Fanusian nicht gegeben hat.
Jetzt die Stufen hoch, dem Schiri hinterher, um zu sehen, wie er um die Ecke flattert und über einen Gang abhaut. Einen Gang mit Logen. VIP -Logen im Himmel. Oder wenigstens im Stadion. Die exklusiven Logen – ich glotze durch ihre gläsernen Wände, als ich vorbeigehe – sind immer noch rappelvoll mit Anzügen, mit Business-Gästen, die die Hospitality nach Spielschluss genießen …
Premium-Hospitality, die den entscheidenden Vorteil gegenüber Mitbewerbern auf dem Gebiet des Kunden-Entertainment bringt. Champion-Class-Gourmet-Hospitality, die wichtige Geschäftsbeziehungen ins Rollen bringt oder neue Leistungsanreize für die eingeladenen Mitarbeiter schafft.
Und: Du kannst das Spielfeld sehen.
Wenn du deinen Arsch noch vom Tisch hochbekommst.
Egal. Ich nähere mich immer wieder dem Schiri, um ihn zu fragen – auf meine mir eigene Art –, ob unsere nicht gegebenen Treffer etwas mit der Uhr an seinem Handgelenk zu tun haben. Hat ihn jemand mit dieser Uhr bezahlt? Was ist die Verbindung zwischen diesem Euro-Schiri, dem Schiri in der Liga, deren Meister wir gerade geworden sind, und meiner Bestechung in der Champions League?
Ich weiß nicht. Die Spur wurde kalt, als wir über die Fixierung auf Gola nicht an den Wichser rankamen. Noch kälter, als er seinen kleinen Schwanensprung abzog. Aber jetzt habe ich eine neue Fährte. Wer gab ihm diese Uhr?
Meine Stollen klackern jetzt gedämpft auf dem Teppich. Ich bin fast an ihm dran, kann seine blass glänzende Birne unter den schmeichelnden Deckenleuchten im Hospitality-Bereich sehen. Aber er schwenkt nach links, weg vom Club-Prestige-Platinum-Bereich Richtung Club-Prestige-Gold-Zone.
Was bedeutet: eine Stufe runter. Wo zwar immer noch eine stylishe und privilegierte
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