Euro Psycho
eindrucksvoll vorgeführt.
Denn unsere Absicht ist, Gruppenerster zu werden – dann ficken wir das Viertel-, lutschen das Halbfinale und streuen uns im Endspiel Glitzer auf die Klit. Wir werden ein bisschen Glück brauchen, um das zu schaffen. Das gebe ich zu. Und ein bisschen Glück, um in diesem Eröffnungsspiel voranzukommen. Denn Italien ist durch seine Qualifikationsgruppe mit einer derartig geizigen Abwehr gestürmt, die Teebeutel zweimal verwendete und im Winter eher eine dritte Strickjacke anzog, als die Heizung anzustellen.
Aber wir haben das Quäntchen Glück.
Denn später im Spiel entwischt ihr freundlicher, wenngleich skrupelloser Spielmacher Riccardo Montolivo – ein erklärter Atheist und deutscher Staatsbürger – Vik Dink und schiebt den Ball rüber zum starken Thiago Motta. Und Motta, der trotz seiner drei Einsätze für Brasilien jetzt für Italien spielt, ist durch. Unsere Defensivformation ist eher eine Deformation – BeJoshis überall, sogar der unerfahrene Ash Hughes scheint schnellstmöglich unter die Dusche zu wollen. Und Motta zieht seinen linken Fuß zurück und will gerade einen Richtung Netz loslassen, als auf Abseits entschieden wird.
Vom Schiri, nicht vom Assistenten. Obwohl der gut stand.
In der zweiten Hälfte kommt unser stümperhafter Haufen – unterlegen, kraftlos, schwindelig gespielt – nicht mal mehr auf Hördistanz an ihr Tor, ganz zu schweigen davon, dass wir eine Torchance herausspielen. Und während die Galeone von Craggsy bewegungslos in der Flaute auf der deprimierten Tribüne verharrt, werden wir wieder flachgelegt. Denn ihr angriffslustiger Mittelfeldspieler Daniele de Rossi entwischt Hagop Fanusian, schlenzt einen flachen Flankenball rein, der von den Zehenspitzen ihres amerikanischen Stürmers Rossi ins Netz geht.
Es steht 1 : 0 für den Europameister von 1968.
Unsere Hoffnung verdampft wie Sperma in der Pfanne.
Ich dachte, wir könnten es bringen. Hier. Auf höchstem Level.
Aber nein. Dafür sind wir zu schlecht.
Ich sehe hoch zur Club-Prestige-Platinum-Executive-Area, suche zwischen all den Logen der Stadion-Hospitality nach Princess und El Presidente. Ich erspähe sie allein auf ihrem Balkon. Sie erscheinen mir sehr klein und fassungslos.
Weil wir scheiße spielen und verlieren. Es wird den Wahlhoffnungen des Präsidenten einen Rückschlag verpassen, so sehr wird seine »Forza Craggsy«-Kampagne mit dieser Mannschaft in Verbindung gebracht. Ist das nicht Lazor Duran zwei Logen weiter, der sich eine Auszeit gönnt von seinem Club-Prestige-Premium-Gourmeterlebnis, um ein bisschen vom Spiel zu sehen? Und um süffisant herabzugrinsen auf die Mannschaft seines Landes, die hier gerade untergeht? Weil ein Schlag gegen diese Mannschaft einem Schuss in den Arm seiner eigenen Wahlkampfkampagne gleichkommt.
Was passiert? Weshalb spielen wir so schlecht?
Ich scheine tatsächlich zu schrumpfen. Meine Füße – mein Arbeitsgerät, wenn ihr so wollt – scheinen zu schrumpfen in ihren AdiZero- F50 -MiCoach-165-Gramm-Schuhen mit eingebautem Mikrochip und Ortungssoftware. Sodass meine geschrumpften Hufe, meine geschlagenen Füße, jetzt keinen Gebrauch mehr machen können von der MiCoach-Schuhstabilisierungs-Technologie, dem revolutionären Sprintskin-Schuhgewebe oder der geometrisch überarbeiteten Stollenkonstruktion.
Keine dieser Errungenschaften von Adidas – dem offiziellen Sportartikelausrüster der UEFA – kann mir jetzt helfen. Wir haben scheiße gespielt. Ich habe scheiße gespielt. Und wir haben gekriegt, was wir verdient haben.
In Nullkommanichts werden wir draußen sein. Ein Opfer der Todesgruppe.
Die Gründe: Italien, Holland, Russland. Welche Chance bleibt uns da noch?
Der Traum ist aus.
Aber warte! Weil – piep – der Schiri pfeift. Ich schaue zu den Assistenten, die beide zurück Richtung Anstoßkreis gehen, das Tor also als regulär erachten. Aber was ist das? Der Schiri ist bereits eingekesselt von einem Rudel Italiener, die ihn anflehen, lamentieren und ungläubig ansehen. Der Mann in Schwarz steht nur da, schüttelt seinen Kopf – langsam und trotzig, mit der Pfeife an den Lippen – und zeigt standfest Richtung unseres Fünfmeterraums. Er gibt einen Freistoß. Für uns.
Weil er das Tor nicht gegeben hat. Schon wieder.
Ich sehe rüber zu ihrer Bank, wo ihr Trainer, il Mister Cesare Prandelli, aussieht, als ob ihm jemand auf seinen Pecorino geschissen hat. Und die italienischen Fans ihrerseits sind stinkesauer und fassungslos. Das
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