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Euro Psycho

Euro Psycho

Titel: Euro Psycho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Taylor
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gedacht. Warum hat niemand zugehört?
    »Kev«, beginnt Keegan.
    »Nicht jetzt«, sage ich ihm und scanne den Raum weiterhin ab.
    Und Boomshakalaka, Feuerzeuge in die Höh!
    Da sitzt er, der Grizzlybär, der in die Stadt ausgewandert ist, Dynamo GazLucs Lazor Duran. Ein Teller mit emulgiertem Gazpacho und Hummercremesuppe vor sich, ein Glas Domaine Bertagna Corton-Charlemagne Grand Cru 1997 schrumpft in seiner kolossalen Pranke. Einer kolossalen Pranke, die sich rausquetscht aus dem Ärmel eines Maurice-Sedwell-Anzugs. Dichtes Haar breitet sich über Finger und Knöchel aus.
    Gut, Kumpel. Erwischt.
    Er ist so beschissen berechenbar. Ich meine, der Molekularfutter-Showdown, die Savile-Row-Uniform.
    In blanken Zahlen ausgedrückt: ein Milliardär. Fantasielos … Und was machst du? Du hältst dich zurück … Denn wer sitzt neben ihm? … Wird er, wie man es erwarten könnte, von einem Pärchen knalliger Fünf-Riesen-Nutten flankiert? Eingerahmt von einer Entourage dunkelhäutiger, steroidabhängiger Adjudanten?
    Nein. Stattdessen sitzt eine sehr alte Dame an seinem Tisch.
    Sie ist klein und blickt verträumt, diese süße alte Dame. Und sie plaudert.
    Was seltsam ist. Aber noch seltsamer ist, dass Lazor Duran ihr aufmerksam zuhört, taktvoll lächelt und brav nickt. Drei seiner Schergen sind über das Restaurant verteilt platziert.
    Egal, ich bin quietschfidel. Weil ich jetzt weiß, dass mindestens einer der Verdächtigen aus dem Weg ist. Also schlüpfe ich zurück Richtung Küche, wühle mich durch die Innereien des Donezk Palace, finde und nehme den Personalaufzug. Direkt ins oberste Stockwerk, Richtung Präsidenten-Suite. Das Nest von Duran, soviel ich weiß. Princess hatte diese Information mal beifällig fallen gelassen.
    Mein lieber Freund, wird er mich meinem Ziel näher bringen?
    Also raus aus dem Fahrstuhl, durch die Notausgänge und auf den Flur.
    Ich öffne die Präsidenten-Suite mit dem Aufbrech-Tool, ziehe die Tür leise auf, trete ein – handgeknüpfte venezianische Wandteppiche, Blick aufs Stadtpanorama –, schleiche mich ruhig von der Seite an, um den direkten tödlichen Schlag zu vermeiden. Dann gebe ich meinem vermeintlichen Angreifer einen präzisen Stoß und trete auf seine Hand, als er auf den Teppich stürzt. Hat er wirklich gedacht, ich könne ihn nicht hören, wie er da auf seinem Stuhl rechts von der Tür sitzt und auf Eindringlinge wartet? Lauter atmend als ein schlecht vorbereiteter Triathlon-Spasti.
    Ich schließe die Tür und neige mich zu ihm herunter. Es ist gut, dass dieser Bodyguard jetzt auf dem Boden liegt. Er ist mir ausgeliefert, seine Handknochen knirschen unter meiner wiegenden, ölabweisenden Vibram-Sohle, mein XSF Punch-Dagger ruht auf seiner Schweinebacke. Es ist auch gut, dass Duran hier einen Bodyguard postiert hat. Was bedeutet, dass es in dem Raum etwas zu bewachen gibt.
    Was bewacht er?
    Und wozu eigentlich die ganze Hetzerei? Duran muss sich durch zig köstliche Gänge hindurchmampfen. Ich fühle mich jetzt seltsam entspannt in dieser Situation. Vielleicht ist es der ganze Messer-in-sein-Gesicht-drücken-Aspekt dieser Szenerie, der mir alles so angenehm erscheinen lässt. Vielleicht fühle ich mich auch nur komplett kribbelig, seit die Prinzessin mich so unmissverständlich aufgefordert hat.
    So oder so, es ist zu hektisch gewesen, seit ich wegen der Euro 2012 in die Ukraine gekommen bin. Es ging ab ohne Pause. Warum also nicht kurz runterkommen und ein Schwätzchen halten? Lockermachen. »Denkst du«, sage ich zu dem Bodyguard und sehe, wie die Schweißperlen auf seine Haut treten, sein Gesicht ist keine 30 Zentimeter von meinem entfernt, »dass ich im wahren Leben anders aussehe?«
    Er guckt böse, schwitzt und verdreht seine Augen extrem, um den Dagger fokussieren zu können, der auf seiner Wange ruht. Es ist seltsam, ich frage ihn, einen Fremden, aber aus irgendeinem Grund spüre ich, dass ich mit ihm reden kann. Wirklich mit ihm reden. Man trifft solche Leute, oder? Unerwartet. Das ist etwas, das ich mich immer schon gefragt habe. Ich meine, erscheine ich im wahren Leben größer?
    Ich wedele mit dem bösen Finger, um ihm zu zeigen, dass er hier besser nicht rumpisst, dann stehe ich auf, nehme den XSF von seinem Gesicht, belasse aber den Stiefel auf seiner Hand. Posiere ein bisschen für ihn. Ich streiche die Blackhawk!-High-Performance-Kampfjacke im Smoking-Schnitt und mit Klettverschlussschlaufe glatt, zeige ihm mein Gesicht mal von der einen, dann von anderen

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