Euro Psycho
sein wird. Jetzt verstehe ich, weshalb der Wichser die Kohle brauchte. Um seine Kinderzuhälter zu bezahlen, ganze Familien auszubezahlen, damit sie schweigen. Das war es also , was den Kinnmann antrieb, den Fußball zu betrügen. Mich zu betrügen.
Aber für wen hat er gearbeitet? Wo ist der Beweis, um meinen Ruf wiederherzustellen und Rache zu nehmen?
Ich sehe mich um. In der Ecke steht ein schwerer großer Pappkarton. Ich gehe rüber und klappe ihn auf. Darin sind Gola-Taschen. Neon Bransons, vielleicht zwanzig von ihnen. Ich betrachte mir die Außenseite des halbvollen Kartons und lese: 2. Wahl.
Scheiße.
Weil das erstens erklärt, weshalb wir den Kinnster über die Gola-Taschen nicht ausfindig machen konnten. Er bekam sie direkt aus der Fabrik als Restposten. Und zweitens: Ich kann nicht fassen, dass er für beschädigten Merchandise-Kram Knete im Sekundentakt ausgab.
Egal, ich lege die Kartonklappe wieder runter, gehe rüber zum Tisch in der Ecke seines Wohnzimmers und raffe die Papiere zusammen, die oben liegen. Rechnungen. Kontoauszüge von der Bank. Ich stecke sie ein, filze seine Schubladen, finde weitere Auszüge, packe sie in meinen Tragekoffer, nehme sein Laptop, packe es ebenso ein, checke die Genève-Hublot-Big-Bang.
Verdammte Pisse, wie spät? Die verrinnende Zeit schnürt mir die Kehle zu: Sie hat schon meine signierte Waterworld- DVD in einen brennenden Grill fallen lassen und ist dabei, mir meinen Sack auf einem Ikea-Klubbo-Couchtisch festzutackern. Kurz: Drei Stunden noch bis zum Anpfiff.
Ich drehe mich um, rase durch die Wohnung, packe die Post im Flur ein, düse die Stufen runter zu dem wartenden Taxi, werfe dem Fahrer etwas Geld rüber, damit er ein bisschen auf die Tube drückt. Auf der Fahrt checke ich die Kontoauszüge.
Beim Abflug aus unserer Republik fahre ich Kinnsters Laptop hoch.
Während wir über Armawir und Karatschai-Tscherkessien hinweggleiten, durchforste ich seine E-Mails, seine digitalen Konten.
Im Landeanflug über Taganrog und dem Asowschen Meer füge ich alle Teile zusammen.
Wir verlassen den Flughafen jetzt mit dem Taxi, kacheln geisteskrank Richtung Donbass Arena – hier geht eine Menge Scheiße ab. Auf dem Computer des Kinns jegliche Form von State-of-the-art-Spionier-Software, die mir nachweist, wie er auf mich aufmerksam wurde, kurz nachdem ich mich bei Twitter angemeldet hatte.
Aber das Wichtigste: Knetemäßig gibt es da einige größere Einzahlungen auf das Konto des Kinnmanns unter dem Namen Namze. Und von diesem kranken Namze-Namen ist eine beschissene Summe – Kinns Anteil – am Champions-League-Abend gezahlt worden, eingegangen kurz nach dem Schlusspfiff. Aber dieselbe Summe ist am nächsten Tag gleich wieder rausgegangen an irgendein Waisenhaus in der tiefsten Provinz. Was? Ist alles, was von Namze kam, gleich wieder an dieses Waisenhaus rausgegangen?
Dann ist da noch ein weiteres Konto. Kleinere Summen unter dem Namen Big Top. Wie bei Namze ist die Kohle von diesem Big Top-Konto wegbewegt worden – jeder Penny – zu irgendeinem Waisenhaus oben in den Couscous-Bergen. All das könnte mich zu dem Schluss kommen lassen, dass der Kinnmann auf dem Land seinen eigenen privaten Pädo-Palast hatte, gäbe es da nicht diesen schnulzigen E-Mail-Austausch mit einer Alten.
»Es ist zu gefährlich, mein Liebling«, schreibt sie, »ich schaffe es schon irgendwie, das Waisenhaus ohne dein Geld am Laufen zu halten.«
»Nein, ich kann nicht aufhören. Das Spiel ist widerlich«, antwortet er. »Millionen werden für Transfers ausgegeben, während die Kinder unseres Landes verhungern. Ich werde weitermachen und die verantwortlichen Bastarde höher besteuern. Ich werde nicht stehlen, aber ich werde das Gesetz brechen, um das Richtige zu tun. Erinnerst du dich: ›Also lege ich Ehre ein, für mein Land, für mein Land. Opfere mich selbst auf für mein Land.‹«
Richtig. Okay. Verstanden. Hab dich erwischt, du Trottel.
Du denkst, du kannst einfach so Zahlungen entgegennehmen, um Spiele zu manipulieren, und dieses Geld einem, wie du glaubst, höheren Zweck zuführen? Rechtfertigt die Abneigung gegen die dicke Knete im Fußball die Zerstörung des Spiels?
Fick. Dich.
Es ist so einfach. Ein rohes »Fick dich«. Weil es kein innovatives Fluchen jetzt mehr geben wird, keinen Pissrassler, keine Wichspfeife und keinen Scheißapparat. Nein. Ein direktes, klassisches »Fick dich« an deine Adresse. Weil kein Mann größer ist als der Fußball. Nicht mal
Weitere Kostenlose Bücher