Europa nach dem Fall
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Politische Beobachter waren verdutzt über die starken muslimfeindlichen Gefühle in den tolerantesten Ländern Europas wie Skandinavien und Holland. Die norwegische Fremskrittspartiet erreichte einen Stimmenanteil von 23 Prozent, die Dansk Folkeparti 14 Prozent, die holländische PVV 15 Prozent. Die Schweden-Demokraten haben bei den letzten Wahlen ebenfalls bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Doch die Gründe für all das sind unschwer auszumachen. Diese Länder haben seit dem Zweiten Weltkrieg freizügig Mitglieder von Minderheiten aufgenommen, die sich als Verfolgte bezeichneten. Vor dieser Zeit war ihre Bilanz, etwa gegenüber jüdischen Flüchtlingen, weitaus weniger beeindruckend. Die große Mehrheit der Asylsuchenden waren keine politischen, sondern eher wirtschaftliche Flüchtlinge, die sich vom Leben in diesen Ländern einen höheren Lebensstandard erhofften, da ihnen bekannt war, dass sie staatliche Unterstützung erhalten würden, auch wenn sie nicht arbeiteten. Viele von ihnen bemühten sich nicht, die Landessprache zu erlernen oder sich der jeweiligen Lebensart anzupassen.
Bei denjenigen, die diese Art von Einwanderer nicht mochten – es gab weit weniger Opposition gegen Einwanderer aus anderen Teilen der Welt –, richteten die Anschuldigungen der Intoleranz und des Rassismus wenig aus, denn nicht wenige Immigranten hielten ihrerseits Toleranz und Menschenrechte für Abirrungen einer dekadenten und gottlosen Gesellschaft. Es stimmt, dass es unter ihnen politische Flüchtlinge gab, etwa in England, doch die waren recht oft radikale Islamisten, die in ihren Ursprungsländern gerichtlich verfolgt wurden. Unter der jüngeren Generation dieser Einwanderer trat häufig Gewalt auf, und den Jugendlichen wurde von ihren Predigern erzählt, dass Eingliederung eine Sünde sei, weil die Ungläubigen Feinde Allahs seien, was sich an ihren Sitten und Gesetzen zeigte, wie etwa der Gewährung der Gleichberechtigung für Frauen, Schwule und Juden. In beträchtlichem Ausmaß glaubten diese Einwanderergemeinschaften nicht an die Demokratie, die ihnen als unvereinbar mit dem Islam dargestellt wurde. Sie waren nicht nur gegenüber Juden oder Schwulen intolerant, sondern auch gegenüber abtrünnigen Sekten in ihrer eigenen Gemeinschaft. Sie wollten dem Rest der Bevölkerung ein fremdes Glaubenssystem und fremde Gesetze (die Scharia) aufzwingen.
Das war der allgemeine Hintergrund der wachsenden antimuslimischen Stimmung. Islamophobie war in diesem Zusammenhang eine Fehlbezeichnung, da kaum ein gebürtiger Europäer Interesse an der Religion der Neuankömmlinge zeigte (Geert Wilders, der den Koran verbannen wollte, war eine Ausnahme). Eigentlich war Islamophobie ein Propagandabegriff, in der Absicht geprägt, das Kritisieren und Anfeinden der Forderungen und Beschwerden der muslimischen Einwanderer anzuprangern. Es gab ein paar Islamophobe. Doch das europäische Interesse an der muslimischen Religion war wirklich begrenzt; wenn es ein paar radikale Gegner des Islam gab, so standen dem Tausende von Konvertiten gegenüber, etwa 5 000 jährlich im Vereinigten Königreich und ähnliche Zahlen in anderen europäischen Ländern. Insgesamt gab es keine aufgebauschten Gefühle gegenüber dem Islam als Religion.
Einige radikale Islamisten waren sich dessen bewusst und mochten daher den Begriff Islamophobie genauso wenig. Ihnen wäre ein Begriff lieber gewesen, der Angst und Antagonismus gegenüber Muslimen in sich vereinigte und vom Wesen her rassistisch war, weil Rassismus in Europa viel mehr tabuisiert (und oft ein Straftatbestand) ist als Opposition gegenüber einer Religion.
Auch wenn es wenig Islamophobie gab, so herrschte doch viel Angst, aber vor Terrorismus und nicht vor dem Koran oder dem Hadith (der muslimischen Überlieferung). Es gab Unbehagen, als die Zahl der Einwanderer rapide anstieg und ganze Vorstädte von ihnen übernommen und die früheren Bewohner – gewöhnlich aus der Arbeiterschicht – hinausgedrängt wurden. Die Medien berichteten häufig von Verbrechen, nicht nur drogenbezogenen, die von Einwanderern aus muslimischen Ländern begangen wurden. Nichtsdestoweniger erlaubten nachsichtige Richter den Verurteilten, im Land zu bleiben. In anderen Fällen stellten örtliche Behörden den neuen Einwanderern große und teuer angemietete Wohnungen zur Verfügung. In der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft wuchs das Gefühl, ob gerechtfertigt oder nicht, dass bestimmte Bereiche ihrer Städte so
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