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und forderte flugs, dass an der Literaturfront nicht weiter von der zu erledigenden Aufgabe abgelenkt werde – nämlich der, Kunst zu schaffen, die den vor uns liegenden Weg mit einem Suchscheinwerfer ausleuchtet.
Als Schostakowitsch in der Prawda diese Direktive las, begriff er, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie sich auch wieder die Musik vornehmen würden. Dann würde es wieder losgehen wie einst mit »Lady Macbeth«.
Nina wollte ihm die Hand auf die Schulter legen, aber er schüttelte sie ab, in Wut und Schrecken. Was war er nur für eine lächerliche Figur! Mit einem Suchscheinwerfer. Und im Dunkeln, wenn alles gefroren ist, kann man sich nicht so leicht im Schnee eingraben und verstecken, bevor der Strahl des Suchscheinwerfers kommt; ich werde ihn vermutlich als B zwischen zwei Cs darstellen, auf einem summenden, brummenden Grund, denn das wäre, wie Elena es mit ihrem englischen Lieblingswort ausdrückte, sehr creepy, also gruselig. – Oje, ach ja, was für schlagende Argumente sie gegen uns alle ins Feld führen werden!, murmelte er, ruckelte mit dem Kopf wie eine Blecheule zum Aufziehen und trank Wodka, bis er ganz blass war.
Nina schlug die Tür hinter sich zu und ging ihren Freund für gewisse Stunden besuchen, den Physiker A. Alichanjan.
Er zündete sich eine neue Kasbek-Zigarette an, die Haare hingen ihm ins Gesicht, als er mit seinen Kindern spielte. Galischa war sehr verwöhnt, aber er brachte es nicht über sich, dem Mädchen gegenüber Festigkeit zu zeigen; sie würde früh genug lernen, wie die Welt, nun ja, funktionierte. Er wusste noch, wie sie als Baby in Leningrad hungrig an einem Brocken Ölkuchen genuckelt hatte. Wenn die Achtundachtziger der Faschisten losgingen, hatte sie immer geweint und ihren Kopf in seinem Schoß versteckt. Und die Achmatowa hatte gesagt … – Wie würden sie ihre Offensive diesmal anlegen? Sie würden vermutlich Chrennikow einsetzen, um ihn im Radio zu denunzieren. Das wäre eine Aufgabe ganz nach Chrennikows Herzen. Er hatte sich perfekt an unsere Zeiten angepasst, wie eine jener Schmeißfliegen, die sich darauf spezialisierten, das muss man nicht weiter ausführen. Warum soll man auch nur …? Galischa habe ich vor diesen Dingen bewahrt – Maxim genauso, der übrigens etwas für die Wandzeitung seiner Pionierbrigade
schreiben muss. Er ist wirklich sehr … Und auch wenn Nina mir nie verzeihen wird; sie sagt, ich habe nicht genug für meine Familie getan, ich habe nie aufgehört, na ja, ich hätte einfach … Und es war alles umsonst! Die Aufrichtigkeit dieser 7. Sinfonie, ich kann es kaum ertragen, sie mir anzuhören! Und heute schäme ich mich so sehr dafür. Mit einem, einem, einem Suchscheinwerfer , sozusagen; damit werden sie … Obwohl Lebedinski bestimmt sagen wird … Leo Oskarowitsch hat mir erzählt, Stalins Tochter sei nie ohne ihren Leibwächter unterwegs, natürlich nicht, und Konzerte hasse dieser Mann ganz besonders! Wenn sie zum Beispiel ins Konservatorium gehe, um Kompositionen des ehemaligen und zukünftigen Volksfeindes Schostakowitsch zu lauschen, beklage sich dieser Michail Nikiforowitsch: Ich bitte um Vergebung, meine liebe Swetlana Allilujewa, jetzt zersägen sie schon wieder Kisten zu Brennholz.
9 Es müssen die Streicher sein, auf die er sich bezieht, meinen Sie nicht auch? Und dann erwidere Swetlana Allilujewa – was erwidert sie? Das ist zum Schießen ! Das denken bestimmt alle. Dann kommt Chrennikow. Er weiß, wie man das macht – mitten ins Genick, heißt es, dann gibt es keine … Und schon kommen die Schmeißfliegen. Als Nächstes werden sie mich aus dem Kino verbannen, wo ich mein Geld verdiene. »Soja« hat eben einen Stalinpreis bekommen, also wird es ihnen leidtun, dass ich zu dieser Spottgeburt die Musik geschrieben habe. Ich schreibe lieber rasch eine Filmmusik, so lange es noch geht. Vielleicht kann Roman Lasarewitsch etwas für mich tun, aus Mitleid. Er wird eingeladen und darf mit Stalins Kindern trinken, wie ich höre. Er ist ein richtiger … Wenn nicht er, dann vielleicht Leo Oskarowitsch oder vielleicht Simonow, zum Teufel mit Simonow.
Maxim zeichnete weiter Segelschiffe, deren Umrisse er von Fotografien in Zeitungen abmalte. Der Vater versuchte ein Lächeln. Er hängte die besten Zeichnungen auf.
Wer hatte die Hauptrolle in »Soja« gespielt? Ihr Name fällt mir gleich wieder ein. War es Galina Wodjanischkaja oder Galja Wodjanischkaja? Das war damals, als Roman Lasarewitsch mich
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