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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bis aufs Blut
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einer unchristlichen Zeit aufstanden, weil sie unverständlicherweise Wert auf ein Frühstück legten. Die Letzteren und zu denen zählte sich Anna, hatten mit früh morgendlichen Genüssen nichts am Hut. Sie schliefen viel lieber noch eine Runde, statt sich den Magen voll zu stopfen. Anna frühstückte genaugenommen nur in drei Fällen: Wenn sie so spät aufgestanden war, dass sie aus dem Frühstück ein Mittagessen machte, wenn sie am Vorabend nichts gegessen hatte oder wenn sie auf Urlaub war und sich ihr ein reich bestücktes Frühstücksbuffet dargeboten hatte. In allen anderen Fällen jedoch und das war zu 99% des Jahres der Fall, frühstückte sie nicht.
    Während Lisa im Bad verschwunden war, war Anna restlos nervös in der Wohnung auf und ab gerannt. Hinzu kam, dass sie gelegentlich provokant an die Badezimmertüre klopfte. Ein gewaltiger Streit hatte sich dadurch unbarmherzig angebahnt, hätte Anna nicht mit erhobenem Zeigefinger vor ihrem Mund immer wieder beschwichtigend auf die Türe des Gästezimmers gedeutet.
    Anna war es durchaus bewusst, dass dennoch ein Fragegewitter über sie hereinbrechen würde, kaum wären sie aus dem Haus. „Sagst du mir vielleicht jetzt einmal, was eigentlich los ist? Was soll das Ganze? Da höre und sehe ich jahrelange nichts von dir, dann erscheinst du plötzlich auf der Bildfläche mit einem Traum von einem Typen, brichst mir die Wohnungstüre auf und zu guter Letzt schleppst du mich ohne Frühstück auf ein verfluchtes Postamt. Was ist nur in dich gefahren?“, stieß Lisa aus und blieb bockig mitten auf der Straße stehen.
    „Ich weiß, ich weiß...“, antwortete Anna beschwichtigend und ärgerte sich gleichzeitig, dass Lisa Alex „einen Traum von einem Typen“ genannt hatte. „Wie soll ich nur anfangen?“, sagte sie und räusperte sich. „Was würdest du machen, wenn du etwas hast, was jemand anderer unbedingt haben möchte, aber du es ihm nicht geben möchtest weil du nicht weißt, was dann passieren wird?“, stellte sie in dem Raum und hatte doch eigentlich nur laut gedacht.
    Lisa runzelte die Stirn. Sie war offensichtlich überfordert von dieser außergewöhnlichen Frage und antwortete dementsprechend.
    „Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst. Ist das der Grund, weshalb wir jetzt zum Postamt gehen? Verzeih' mir, aber...“
    „Damit hat es auch zu tun...aber...“ Anna nahm ein kleines Päckchen aus ihrer Tasche und zeigte es Lisa. „Ich muss dieses Paket mit einem anderen vertauschen, verstehst du?“
    „Ich verstehe nur Bahnhof“, entgegnete Lisa treffenderweise, als sie an dem Wiener Westbahnhof angelangt waren.
    In einem Kaffeehaus versuchte Anna ihrer Freundin die Situation zu erklären. Die unwesentliche Kleinigkeit, dass sie Leonard erschlagen hatte, stilisierte sie zu einem angeblichen Herzanfall herunter, dem er erlegen war, als er und sie sich in der Küche der Villa gestritten hatten. Danach habe sie es mit der Angst zu tun bekommen, sagte sie, und sei auf und davon gerannt. Als ob das nicht genug gewesen wäre, hatte sie sich als zusätzliches Unglück diesen Alex eingehandelt, der sich als Leonards Sohn ausgab und dessen Interesse offensichtlich vor allem dem Buch galt.
    „Weshalb will er denn dieses Buch so unbedingt?“ war Lisas erste Frage.
    „Das Buch ist sehr viel wert - Millionen angeblich. Ich habe keine Ahnung, vielleicht will er es verkaufen, wer weiß...“, sagte Anna, die sich ärgerte, dass sie Alex immer
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    noch nicht danach gefragt hatte. „Gestern Abend habe ich zufällig ein Telefongespräch mitgehört, in dem er jemanden zu verstehen gab, dass er das Buch spätestens heute haben würde“, erklärte Anna und verlor sich in Gedanken. Mit wem hatte er nur telefoniert?
    „Er ist sicher ein Krimineller!“, stieß Lisa aus.
    Lisas Aussage machte durchaus Sinn. Doch war es für Anna keine Neuigkeit, dass Alex kriminelle Anwandlungen hatte. Aber was bedeutete das schon? Hatte sie nicht selbst gerade erst jemanden umgebracht? Um so mehr freute sich Anna jetzt über das, was sie Lisa gestern erzählt hatte, nämlich dass Alex Leonards Sohn war. Lisas Reaktion war nicht verwunderlich gewesen. Sie hatte ihn sofort und unverblümt als Kriminellen abgestempelt. Lisa hatte Leonard seit ihrer ersten Begegnung auf den Tod nicht ausstehen können. Bedauerlicherweise war dies ein Grund mehr für die jahrelange schleichende Abkühlung ihrer Freundschaft gewesen.
    „Ich verstehe aber immer noch nicht,

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