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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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musste überzeugt, jede einzelne Stimme erkämpft werden.
    Doch er hatte keine Kraft mehr. Daher pochte er auf eine Entscheidung: Es ist halb drei, lasst uns abstimmen.
    Die Entschlossenen hatten bereits am Nachmittag ihren Stimmzettel in die Urne gesteckt. Aber die vielen Zweifelnden, die alle Redner hören wollten, um sich zu einer Meinung durchzuringen, hielten ihren noch in der Hand. Delegierte aus Schnals, Unteretsch, Gries und Pfitschtal. Aus Sexten, Bruneck, Wolkenstein, Latsch, Kasern und Burgum. Leute, die um diese Zeit daheim auf ihrem Hof auch immer wach waren, weil sie die Kühe im Stall melken mussten. Von ihnen hing es jetzt ab, wie die Abstimmung ausging. Fresst, Vögel, fresst!
    Einer nach dem anderen steckten sie die gefalteten Zettel in die Wahlurne.
    Sie wurden entnommen und ausgezählt.
    In ein Register eingetragen.
    Und der Parteitagspräsident las das Resultat vor.
    »Abgegebene Stimmen: 1104.
    Für die Annahme der Resolution von Doktor Magnago: 583 Stimmen.
    Gegen die Annahme der Resolution von Doktor Magnago: 492 Stimmen.
    Ungültige Stimmen oder Enthaltungen: 29.
    Damit ist die Resolution von Doktor Magnago mit 52,8 Prozent der Stimmen angenommen.«
    52,8 Prozent.
    Teixel, ist das wenig! Das war sein zweiter Gedanke.
    Doch sein erster war: Du hast es geschafft. Es war wirklich geschafft.
    Auch Paul Staggl hätte gerne ein Mannequin im Bikini gehabt. Das heißt: Er hätte gerne ein Foto von einem Mannequin im Bikini gehabt. Oder genauer: Er hätte zwar auch gerne ein Mannequin im Bikini gehabt, aber vor allem das Foto. Oder umgekehrt.
    Ja, das Konsortium, dem er vorstand, hätte doch auch ein Skiweltcup-Rennen veranstalten können. So wie Val Gardena. Dieses Werbefoto im Time Magazine hatte die anderen Konsortiumsmitglieder mächtig erzürnt. Ihn selbst nicht. Paul Staggl war in ärmlichsten Verhältnissen auf einem Hof ohne Sonnenlicht geboren: Hätte er Zeit und Energien damit vergeudet, andere um etwas zu beneiden, wäre er nicht dorthin gelangt, wo er jetzt war. Seine Gedanken kreisten wie das Rad in der Talstation einer Seilbahn, gut geölt, unaufhörlich, mit dem einzigen Ziel, ihn nach oben zu bringen.
    So hatte er sich also das Foto dieses hübschen Mädchens, das nur in Unterwäsche, BH, Wollstrümpfen und Skischuhen, einen Ski am Boden, den anderen senkrecht vor sich in den Schnee gesteckt, vor dem Hintergrund der verschneiten Dolomiten posiert hatte, sehr genau angesehen. Und das nicht nur, weil man sich gewisse Formen einfach gern ansah, sondern auch weil ihm beim Betrachten eine Reihe von Gedanken durch den Kopf schwirrten. Der erste und nächstliegende war, dass sein Heimatstädtchen nicht in den Dolomiten lag. In den dreißiger Jahren waren Postkarten gestaltet worden, die seine mittelalterliche Burg vor den rosa schimmernden Gipfeln der »Bleichen Berge« zeigten, wie die Dolomiten früher genannt wurden. Eine glatte Fälschung, wie sie in der Steinzeit des Tourismus noch möglich war, inzwischen aber nicht mehr. Heutzutage hatten die Touristen Fernsehen, sie waren informiert, man konnte sie nicht mehr so leicht an der Nase herumführen.
    Auch vom Gipfel des Hausberges, an dessen Hängen seit mittlerweile sieben Jahren die Masten der von seinem Konsortium gebauten Seilbahn aufragten, genoss man einen großartigen Panoramablick, doch die Dolomiten lagen nun einmal ein ganzes Stück entfernt. Alle Welt war vernarrt in dieses korallen farbene Gebirge, und die Hotelbesitzer der ladinischen Täler brauchten allein schon dieser Lage wegen keine großen Mittel in Fremdenverkehrswerbung zu investieren. Sie selbst schon. Nein, ohne Dolomiten mussten sie eben auf andere Weise die Scharen englischer, holländischer oder schwedischer Skifahrer anlocken, die nun zu umwerben waren, nachdem man mit den Italienern und Deutschen, selbst mit den Amerikanern mittlerweile jedes Jahr sicher rechnen konnte. Und er hatte da schon eine genaue Vorstellung. Er musste ›seinen‹ Berg zu einem großflächigen und besonders vielfältigen Skigebiet ausweiten, das für jeden Geschmack etwas zu bieten hatte. Lange betrachtete Paul Staggl den nackten Bauch des Mädchens und ihre anregenden Rundungen.
    Und das war seine Vision: ein Netz von Seilbahnen, Skiliften und Pisten, das sich sternförmig in alle Richtungen verzweigte und so sehr ausdehnte, dass echte Skifreunde tagelang unterwegs sein konnten, ohne zweimal dieselbe Piste zu fahren. Die Technologie der Anlagen würde auf dem allerneuesten Stand sein,

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