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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Grundfähigkeiten eines leidenschaftlichen Briefmarkensammlers. Vermischungen und Überschneidungen zwischen den Gemeinschaften hätten nur erneut zu Gewalt und Chaos geführt.
    * Von den Königreichen Sachsen und Bayern 1850 beziehungsweise 1849 herausgegeben.
    Die Zähnung der Briefmarke war ebenso wie die Gummierung gut erhalten. Mit einem zufriedenen Seufzer steckte Magnago sie an den richtigen Platz ins Album. Für eine öffentliche Erklärung war die Zeit noch nicht reif, doch stand fest, dass sich zu diesem Thema der nächste Kampf anbahnte, den der Vater der Autonomie mit seiner ganzen Autorität führen würde. Und bald schon würde er es klar und deutlich verkünden: Mischehen zwischen Italienern und Deutschen waren der Anfang vom Ende Südtirols.
    Der Tenente Colonnello, der Vito den entsprechenden Passus der Dienstordnung vorlas, war einige Jahre älter als er selbst, sah aber jünger aus, und seine unschuldig dreinblickenden, hellblauen Augen machten es schwierig, ihn sich mit der Waffe in der Hand im Einsatz bei einer Razzia irgendwo im Gebirge vorzustellen. Und in der Tat hatte er noch nie an einer solchen Aktion teilgenommen, war er doch gerade erst, als das Schlimmste schon überstanden war, nach Südtirol versetzt worden.
    Er hatte Vito in sein Büro bestellt und ihn mit der formellen Höflichkeit der Turiner oder auch schüchterner Menschen in höheren Positionen empfangen: Er war beides. Um die Verordnung wörtlich wiederzugeben, hatte er sich eigens eine Kopie besorgt. Nicht weil er glaubte, der Brigadiere würde den Inhalt nicht kennen, sondern weil dieser Unteroffizier von allen geschätzt wurde, war es ihm wichtig, ihn respektvoll zu behandeln. Außerdem war die Angelegenheit reichlich delikat und berührte die Privatsphäre des Brigadiere. Sich an einem Stück Papier festzuhalten würde es sicher leichter machen, die Sache hinter sich zu bringen.
    Er begann zu lesen:
    »Umberto von Savoyen, Fürst von Piemont, Generalstatthalter des Reiches. Kraft des uns übertragenen Amtes und gemäß des königlichen Ermächtigungsgesetzes und so weiter und so weiter …, laut Beschluss des Ministerrats, auf Vorschlag des Kriegsministers und im Einverständnis mit dem Innenminister sowie dem Schatzminister verfügen und verkünden wir folgenden Erlass …«
    Vito saß vor ihm, und der Offizier hatte sich zu ihm vorgelehnt, um ihm mit dem Finger die entsprechenden Zeilen des Textes, den er vorlas, zu zeigen. Er roch frisch gewaschen. Hinter ihm an der Wand ein Porträt des Staatspräsidenten Giovanni Leone mit seinem von einer dicken Hornbrille eingerahmten Nagergesicht.
    »Artikel 1. Den Marescialli der drei Dienstgrade sowie den Brigadieri der königlichen Carabinieritruppe kann ohne Einschränkungen die Genehmigung zur Eheschließung erteilt werden, sofern sie neun Dienstjahre abgeschlossen und das achtundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben … Voraussetzungen, die Sie alle erfüllen«, stellte der Oberleutnant an Vito gewandt klar.
    Der nickte.
    »Der Artikel 2 bezieht sich auf Appuntati und bestimmte Carabinieri, betrifft Sie also nicht, ebenso wie der Artikel 6. Die Artikel 3, 4 und 5 erläutern die Zahl der für eine Kaserne zulässigen verheirateten Carabinieri. Der Artikel 7 enthält eine gute Nachricht: die verheirateten Angehörigen der königlichen Carabinieritruppe haben Anrecht auf kostenlose medizinische Versorgung durch den bei ihrer Einheit stationierten Amtsarzt …«
    »Entschuldigen Sie, Colonnello, aber wieso eigentlich ›königlich‹?«
    »Ja, dieses Adjektiv ist nie gestrichen worden und gilt immer noch, obwohl wir längst der Republik Italien …«
    Er deutete auf das Foto der bebrillten Maus hinter ihm.
    »… die Treue schwören. Es ist nun aber der Artikel 8, der …«
    Er brach ab.
    Sind schlechte Neuigkeiten zu verkünden, müssen schüchterne Menschen doppelten Mut aufbringen: dem anderen, aber auch sich selbst gegenüber.
    »… Sie betrifft.«
    Vitos Gedanken waren abgeschweift. Er dachte wieder daran, was seine Mutter zu ihm gesagt hatte, als er zwei Wochen zuvor auf Urlaub zu Hause war. Sie hatte nicht lange um den heißen Brei herumgeredet.
    »Entweder sie oder wir.«
    Sie: Das waren Gerda und Eva. Wir: Das war sie selbst, aber auch alle Verwandten und jeder einzelne Bewohner ihrer Stadt, ja ganz Kalabriens.
    »Artikel 8: Ungebührliches, öffentlich Anstoß erregendes Verhalten vonseiten Angehöriger der königlichen Carabinieritrup pe führt auf Vorschlag des

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