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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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die Italiener die Südtiroler kennen, die tüchtigen Automechaniker, Bauern und kleinen Handwerker vom BAS , aber auch Südtirol allgemein; umgekehrt lernten die Südtiroler endlich jenen langen Stiefel kennen, der, ob sie es wollten oder nicht, längst Teil ihrer Heimat war. Auch in Lecce oder Rom, in Novara und selbst in Mailand, erkannten die Südtiroler jetzt, ging der italienische Staat mit seinen Bürgern nachlässig um: Nicht jede Schwerfälligkeit und Umständlichkeit war das Resultat einer absichtlichen Diskriminierung. Sie war nicht persönlich gegen die Südtiroler gerichtet, diese dickfellige Ineffizienz der italienischen Bürokratie.
    Wenn Peter die Menschen in dem überfüllten Gerichtssaal betrachtete, fand er nicht mehr jene Italiener vor, die er zehn Jahre zuvor am Bozener Bahnhof hatte eintreffen sehen. Er sah nicht mehr die hageren Gesichter von Menschen, die der Armut zu entfliehen versuchte, mit von Hunger, von Hoffnung und Angst geweiteten Augen, mit dreckigen Fingernägeln, Män ner, die am Abend, bevor sie zu den großen Fabriken in Norditalien aufbrachen, ein letztes Mal die Ziegen in den Stall getrieben hatten. Dies waren Italiener, für die die Städte, in denen sie wohnten, tatsächlich ihr Zuhause waren. Darunter hübsche Mailänder Mädchen mit zu Bienennestern toupierten Haaren, junge Männer mit dicken schwarzen Brillen und mit Notizbüchern auf dem Schoß; Hausfrauen mit geschwollenen Fußgelenken und mit wachem Blick, die täglich die Preise auf dem Markt verglichen und viel mit ihren Freundinnen lachten; Metallarbeiter, die nach der Nachtschicht noch ins Gericht gekommen waren, um sich mal diese Bauern aus dem Land der crucchi anzuschauen, die bei ihren Aktionen gegen »die da oben« beachtliche organisatorische Fähigkeiten bewiesen hatten und vielleicht auch der Arbeiterbewegung noch etwas beibringen konnten.
    Neben diesen modernen Wirtschaftswunderitalienern saß nun die Schützenkompanie in ihrer Tracht aus dem vorigen Jahrhundert. Peter trug eine Auerhahnfeder am Hut, eine Weste mit verflochtenen Bändern nach der Art Andreas Hofers, der einst das napoleonische Heer zurückgeschlagen hatte, und an den Füßen Lackschuhe mit silbernen Spangen sowie Kniestrümpfe aus weißer Schurwolle. Vielleicht lag es ja auch an dieser unpassenden Kleidung, dass der Mailänder Prozess ihn persönlich ganz anders beeinflusste als die Mehrheit der Südtiroler. Für ihn reichten die symbolischen Anschläge gegen Hochspannungsmasten, wie sie die »Bumser« dort vorn auf der Anklagebank verübt hatten, nicht mehr aus. Es war Zeit, so glaubte er, zu härteren Maßnahmen zu greifen.
    Als Peter aus Mailand heimkehrte, von wo aus er, wie so oft, kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte, fand er seine Frau nicht mehr vor: Leni war zu ihren Eltern zurückgegangen. Seit zwei Monaten war sie schwanger mit ihrem zweiten Kind, doch in diesem Haus, das ihr so leer und verlassen vorkam, wollte sie nicht länger bleiben.
    Mit jeder Woche, die ins Land ging, schlief Eva ein wenig länger durch und weinte nachts nicht mehr. Tagsüber lag sie in ihrer Kiste und betrachtete mit großen Augen die Dampfwolken, die von den Töpfen aufstiegen, die rote Tomatensoße, die in Kasserollen gegossen wurde, die langen, hüpfenden Beine von Hubert, der mit einer Hand die Schlutzkrapfen abgoss und mit der anderen Salbei in Butter bräunte. Evas Augen, die so blau und länglich wie die ihrer Mutter waren, aber ohne deren stolzen Aus druck, schienen um Zuneigung zu bitten. Gerda hatten die Blicke der anderen nie etwas über sich selbst verraten; Eva hingegen schienen sie zu sagen, wer sie war.
    Die Kollegen gaben ihr ein Stückchen Möhre, Fenchel oder Parmesan in die Hand und beobachteten dann lachend, mit wel chem Ernst sie daran leckte und saugte, mit ihren zahnlosen Kiefern daran knabberte, wie sie mit dem Gesichtsausdruck einer akribischen Naturwissenschaftlerin deren Konsistenz ertastete, wie sie die Stirn kräuselte und wie sich ihr Gesicht verzog, wenn ihre Zunge entdeckte, dass der gelbe Halbmond, den sie ihr in die Hand gegeben hatten, ein Zitronenscheibchen war. Wie stolze Eltern suchten die Küchenangestellten einander mit Blicken, um sich gemeinsam an den unwiderstehlich süßen Taten des Säuglings zu erfreuen. In den Monaten, da Eva so friedlich ihre Apfelkiste bewohnte, gab es fast kein Geschrei und keine Beschimpfungen mehr zwischen Kellnern und Köchen.
    Gerda hatte ihr Lachen wiedergefunden. Für sie war die

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