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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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die Arbeit in dieser Küche war ja das Einzige auf der Welt, was ihr noch geblieben war, und wenn sie die auch noch verlöre, würde sie auf der Straße landen wie all die anderen verzweifelten Mädchen aus dem Heim, die keinen Herrn Neumann hatten, der sie trotz allem abgeholt hatte.
    Da erblickte Gerda ihre Tochter.
    Entschlossen krabbelte Eva auf ein bestimmtes Ziel zu, und zwar die Beine eines Mannes in mittleren Jahren, der allein an einem Tisch vor den breiten Panoramafenstern saß. In ihrem rundlichen Gesicht stand ein zufriedenes Lächeln, das der Welt verkündete: Mich entzückend zu finden ist unvermeidlich, denn ich bin es.
    Gerda huschte durch den Saal und sammelte mit einer Hand die Tochter vom Boden auf. Enttäuscht ob der Vereitelung ihres Planes, fing Eva an zu schreien und streckte fuchtelnd die Arme zu dem Herrn am Tisch aus. Dieser starrte verblüfft, aber nicht verärgert Gerda mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    Er war nicht der Einzige. Alle Männer im Saal blickten sie an. Ihre prallen Brüste, die aus der Schürze drängten, die blonden Haarsträhnen, die keck unter ihrer Hilfsköchinnenmütze hervorschauten, ihre von der Aufregung geröteten Wangen, der Mund, der wie gemacht schien für unsagbare Wonnen, die schlanken Beine, von denen ihr zu kurzer Arbeitskittel nur wenig verdeckte, und dann noch dieses rosige kleine Mädchen auf dem Arm, das sie jünger und gleichzeitig weiblicher wirken ließ: Da konnten selbst die Damen nicht anders als fasziniert hinzuschauen, auch wenn sie bemüht waren, sich auf die Flecken auf Gerdas Schürze zu konzentrieren, auf die Sägespäne, die an ihren Holzklappern klebten, auf den Schweiß, der auf ihrer Oberlippe schimmerte. Doch nichts änderte etwas an der Tatsache, dass diesen Raum gerade eine Frau betreten hatte, die sehr viel schöner war als alle anderen hier.
    »… sie haben unser Abkommen gebrochen. «
    Wie eine germanische Göttin, durch einen Zauber herbeigerufen, war Frau Mayer neben ihr aufgetaucht. Ihre Stimme klang ruhig, mehr enttäuscht als verärgert. Dem »sie« allerdings, mit dem sie Gerda angesprochen hatte, war der Großbuchstabe abhandengekommen. Damit war alles gesagt.
    Zwei Tage. Mehr hatte Herr Neumann nicht für Gerda heraus schlagen können. Zwei Tage Zeit, um für Eva eine Unterbringung zu finden. War die Suche bis dahin erfolglos, wäre Frau Mayer gezwungen, ihr zu kündigen.
    Der Bus, der Gerda von Bozen in ihren Heimatort brachte, war lange unterwegs, und so hatte Gerda genügend Zeit, sich Gedanken zu machen. Bei wem konnte sie ihre Tochter lassen? Nach der Beerdigung ihrer Mutter hatte ihr die Schwester Annemarie mit Schülerinnenschrift einen Brief geschrieben. Darin machte sie Gerda für Johannas Tod verantwortlich, brachte mit unbarmherzigen Adjektiven zum Ausdruck, was sie über die Schwester dachte, und schloss den Brief mit dem Wunsch, sie nicht mehr wiederzusehen. Der ließ sich leicht erfüllen. Seit Annemarie nach Vorarlberg gezogen war, hatten sich die beiden nur noch zweimal getroffen: auf Peters Hochzeit und bei Ullis Taufe.
    Als der Bus aber nach drei Stunden Fahrt schnaubend am Busbahnhof der Kleinstadt hielt, hatte Gerda immer noch keine Ahnung, was sie machen sollte. Verwirrt, ohne klares Ziel, ging sie, mit Eva auf dem Arm, einfach los, und so nahmen ihre Füße wie von selbst jenen Weg, der ihr am vertrautesten war. Nach einer halben Stunde war sie bei einer Häusergruppe im Schatten der mittelalterlichen Burg, einige Kilometer vom Zentrum entfernt, angelangt: in Schanghai.
    Das Haus mit dem grauen Kies-Zement-Verputz stand so da wie immer in dieser düsteren, feuchten Ecke. Die Tür war verschlossen. Aus dem Kamin stieg kein Rauch auf. Es war Tag, und durch die dreckigen Fensterscheiben konnte man unmöglich erkennen, ob jemand daheim war. So stand Gerda auf dem Vorplatz, auf den ihr Vater vor – wie ihr vorkam – undenkbar langer Zeit in hohem Bogen ihren Koffer geschleudert hatte. Sie betrachtete den Laternenpfahl, gegen den er geknallt war, und da kam ihr plötzlich eine Idee, wen sie vielleicht fragen könnte.
    Sie lief los, sehr schnell, denn zum Glück hatte sie nicht viel dabei, neben Eva nur eine kleine Tragetasche, in der Strampelanzüge und Windeln zum Wechseln waren. Immer schneller lief sie. In nicht einmal einer halben Stunde war sie am Ziel, ein wenig keuchend von der Anstrengung des Anstiegs.
    Es war Spätsommer, und die steilen Wiesen, auf denen sich die Hubers über Generationen den

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