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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Sejer und seine Leute. Und Majas Mann.
    Maja war verheiratet gewesen. Warum hatte sie das nicht erzählt? Hatte sie es als Niederlage empfunden, einen Mann zu haben, einen Lebensgefährten? Oder war er eher eine Art Geschäftspartner für das geplante Hotel? Oder war er einfach ein Typ, zu dem sie sich nicht bekennen wollte? Das wirkte am wahrscheinlichsten.
    Der Farbeimer war eigentlich ein hervorragendes Versteck, aber sie durfte ihn nicht bei sich im Haus aufbewahren, sie mußte ihn an einen Ort bringen, wo ihn niemand suchen würde, wo sie aber bei Bedarf immer Geld holen könnte. Bei ihrem Vater, natürlich, in seinem Keller, unter dem vielen Gerümpel, das sich dort im Laufe der Jahre angesammelt hatte. Evas altem Kinderbett. Den Äpfeln, die im alten Kartoffelkoben vor sich hinfaulten. Der defekten Waschmaschine. Eva verzählte sich und mußte von vorne anfangen. Ihre Hände schwitzten, deshalb ließen sich die glatten Scheine leicht voneinander trennen, bald lag als hoher Stapel eine halbe Million vor ihr, und sie hatte noch immer sehr viel übrig. Majas Mann. Vielleicht war das so ein richtig zweifelhafter Typ – wenn Maja Nutte gewesen war, was war dem Mann dann alles zuzutrauen? Drogenhai oder so. Vielleicht hatten sie beide keinerlei Moral. Habe ich denn Moral, fragte Eva sich plötzlich, sie näherte sich der Million, und der Haufen ungezählten Geldes wurde langsam kleiner. Das, dachte sie, sind vielleicht Teile des Haushaltsgeldes von hunderten von Hausfrauen in dieser Stadt, Geld, das für Windeln und Konservendosen bestimmt war; es war ein seltsamer Gedanke. Sie war jetzt bei den Hundertern angekommen, und alles ging langsamer. Sie fand die Fünfhunderter am schönsten, die Farben und das Muster, schöne blaue Scheine. Eins komma sechs, ihre Finger waren eiskalt, sie zählte Fünfziger. Wenn er ihre Autonummer hatte, dann konnte er innerhalb weniger Minuten ihre Adresse herausfinden, er brauchte nur beim Wagenregister anzurufen, falls ihm überhaupt ihr Auto aufgefallen war, wenn er über Phantasie verfügte, hatte er es sich sicher angesehen und die Möglichkeit in Betracht gezogen, hatte sich gewundert, weil es nicht abgeschlossen war. Mitten im Gebirge, nicht weit vom Ferienhaus entfernt. Aber genug Phantasie, um im Klohäuschen zu suchen, hatte er nicht gehabt. Eins komma sieben Millionen. Und einige Fünfziger. Maja war fast am Ziel gewesen. Eins komma sieben Millionen Kronen. Die Folienfetzen funkelten im Licht der Glühbirne an der Decke wie Silber. Eva legte das Geld wieder in den Eimer und ging nach oben, der Fuß schien ein wenig abgeschwollen zu sein, vielleicht lag das an der Kälte im Keller. Ihre schwarzen Haare hingen ihr steifgefroren über den Rücken. Sie stellte den Eimer in die Waschküche und ging wieder ins Badezimmer, nahm rasch eine heiße Dusche und zog sich an. Die Millionärin im Spiegel wirkte jetzt angespannter, sie mußte eine Plane für ihr Auto besorgen, vielleicht schnüffelte er ja in der Gegend herum. Oder sie könnte sich einen neuen Wagen kaufen. Einen Audi, vielleicht? Keinen von den Großen, vielleicht sogar einen Gebrauchtwagen. Aber dann fiel ihr ein, daß das nicht möglich war. Sie konnte sich nur Brot und Milch kaufen, wie früher. Sogar Omar würde sich wundern, wenn sich ihr Einkaufskorb plötzlich füllte. Eva humpelte aus dem Badezimmer und holte den Eimer. Es mußte gehen. Und sie konnten ja umziehen. In einer Küchenschublade lag Alufolie, Eva wickelte die Geldscheine sorgfältig hinein und legte bis auf ein Päckchen alles in den Eimer. Auf das letzte Päckchen klebte sie ein Etikett, dachte ein wenig nach und schrieb schließlich »Speck« darauf. Dann legte sie das Päckchen in die Tiefkühltruhe. Sie wollte ja nicht gleich wieder ohne Geld dastehen. Die sechzigtausend in dem kleinen Eimer waren schon arg reduziert. Sie griff zu ihrem Mantel und ging aus dem Haus. Zuerst schaute sie in den Briefkasten, den hatte sie ganz vergessen. Dort entdeckte sie einen grünen Briefumschlag, vom StaatlichenKunstrat. Sie lächelte überrascht. Ihr Stipendium war da.
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    » D u treibst dich ja neuerdings nachts herum«, ihr Vater
    lächelte. »Das ist ein gutes Zeichen.«
    »Wieso denn?«
    »Ich habe gestern bis elf Uhr immer wieder versucht, dich anzurufen.«
    »Ach, da war ich nicht zu Hause.«
    »Hast du endlich jemanden gefunden, an dem du dich wärmen kannst?« fragte er hoffnungsvoll.
    Ich wäre fast erfroren, dachte sie, ich habe die halbe Nacht bis zum

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