Eve & Adam (German Edition)
sie einen Durchmesser von fast zwei Metern. Wenn man sie ranzoomt, kommt man auf die Nano-Ebene, wo sie überhaupt keine Farbe mehr haben und nur noch aus grauen Zellen bestehen.
Aislin legt die Füße auf den Schreibtisch und lehnt sich zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Das macht mir Angst. Tu was dagegen.«
Ich füge ein sehr weißes Weiß zu den Augen hinzu. »Okay, jetzt die Kapillargefäße«, sage ich und suche auf dem Auswahlmenü nach dem passenden Button.
»Lass uns lieber die Bauchmuskeln angehen.«
»Ich hab doch gesagt: Das Programm lässt das nicht zu. Außerdem bereiten die vielen Details am meisten Spaß.«
»Ach so.« Aislin klingt nicht überzeugt.
Ich wähle kleine Kapillargefäße und Aislin nickt billigend. »Dann kriegt er nicht so schnell blutunterlaufene Augen.«
Ich betrachte meine Schöpfung. »Mit der Farbe der Iris bin ich noch nicht zufrieden. Sie wirkt irgendwie schmutzig.«
»Was ist für dich die schönste Augenfarbe?«
»Keine Ahnung.«
Aislin zieht einen Schmollmund.
Ich lasse die Iris bläulich werden.
»Noch mehr!«, bettelt Aislin.
Ich tippe weiter. Die Augen haben jetzt ein intensives Blau, wie ein Bergsee in der Abenddämmerung.
»Bingo.«
»Als Nächstes kommt die Sehschärfe«, sage ich. »Soll ich ihn leicht kurzsichtig machen?«
»Nein«, widerspricht Aislin entschieden. »Keine Brille. Auch keine Kontaktlinsen.«
Ich überlege kurz. Jeder Mensch sollte eine kleine Schwäche haben. Macht uns das nicht erst interessant? Zu mehr als bloßen Kopien voneinander?
Eine winzige Veränderung an der Form von Auge und Linse und schon trägt er für den Rest seines simulierten Lebens eine Brille.
»Okay, du hast gewonnen.« Ich entscheide mich für die volle Sehschärfe. Ändern kann ich das später immer noch.
»Wie alt sind diese Augen eigentlich?«, will Aislin wissen.
»Das ist ja so lustig an diesem Spiel, dass ich das Alter des Typs frei wählen kann. Ich kann ihn zu einem Baby machen. Oder ich lasse ihn altern, bis er wie einer dieser ausgedörrten Vampire aussieht.« Ich grinse. »Aber das wäre wirklich gruselig.«
Ein Baby zu machen, kommt der Realität irgendwie zu nahe. Wer will schon ein Baby? Okay, später, in zehn oder zwanzig Jahren. Oder in dreißig. Aber nicht jetzt. Die sichere Lösung – das rede ich mir zumindest ein – ist es, ihm ungefähr mein eigenes Alter zu geben.
»Hm, wie alt soll ich ihn denn machen? Vielleicht siebzehn?«
»Achtzehn«, sagt Aislin entschieden.
»Also achtzehn.«
Ich tippe es ein. Die Farbe der Iris tritt deutlicher hervor, das Weiße wirkt eine Spur weniger durchscheinend.
Das System meldet: Für die Lebensfähigkeit ist die Blutversorgung notwendig.
Ja, natürlich, die Blutversorgung, aber muss das jetzt gleich sein?
»Der Computer zwinkert dir zu.« Aislin zeigt auf den Monitor.
»Das Auge braucht Blut.«
»Igitt.«
»Ich kann jetzt Herz und Kreislauf anlegen«, lese ich meine Optionen vor, »oder ich richte eine provisorische künstliche Blutzufuhr ein.«
»Mach das.« Aislin betrachtet den Monitor mit schief gelegtem Kopf.
Das Bild an der Wand verändert sich. Man bekommt es im ersten Moment kaum mit. Aber selbst die besten Spezialeffekte haben etwas Künstliches. Die bisherigen Bilder waren erstaunlich echt, doch was ich jetzt sehe, ist weit mehr als erstaunlich. Es ist spektakulär.
Ich könnte schwören, dass die beiden Augen, weiße Ballons, an denen lose Nervenenden hängen, echt sind. Sie sehen aus, als würden sie in einer durchsichtigen Flüssigkeit schwimmen. Die Arterien und Venen, die ins Auge hinein- beziehungsweise wieder herausführen, sind an einen Plastikschlauch angeschlossen, der sanft im Rhythmus eines Herzens pulsiert.
»Ekelhaft«, befindet Aislin.
»Aber cool.«
Aislins Handy piept und sie sieht nach.
»Maddox«, sagt sie in einem Ton, der zugleich erfreut und entschuldigend klingt. Sie hat diesen speziellen Ton für mich reserviert, wenn sie mich sitzen lässt. »Tut mir leid, ich muss los.«
»Nein!«, rufe ich und halte sie mit meiner gesunden Hand am Arm fest. »Du bist doch gerade erst gekommen!«
»Er ist wegen irgendwas am Ausrasten.« Aislin steht auf und streckt sich. »Du weißt ja, wie er dann ist.«
Ja, das weiß ich. Und manchmal finde ich ihn wirklich zum Kotzen. Aber ich bin nicht so dumm zu sagen, was ich denke.
»Hey, es ist Wochenende. Ich kann morgen wiederkommen, dann spielen wir weiter.«
»Okay«, sage ich schmollend. »Aber
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