Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
Fuße jedes Hügels stapelten sich ausgebrannte Autos. Überall ließ zerbrochenes Glas das Pflaster glitzern.
»Wir müssen schneller laufen«, erklärte Arden. Sie und Heddy waren ein paar Meter vor mir und wateten durch den Müll auf dem Gehweg, zerknickte Plastikflaschen und Verpackungen reichten ihnen bis zu den Knien. Sie sah nach oben. Der Mond verschwand, die riesige schwarze Himmelskuppel war nun von Lichtstreifen durchzogen. »Wir müssen dort sein, bevor die Sonne aufgeht.«
»Ich komm schon«, sagte ich und sah über die Schulter zu dem Laden hinter mir. Ein Wagen war durch die Frontscheibe gekracht und hatte sie zertrümmert. Schlingpflanzen und Moos wucherten über die Öffnung. Drinnen, hinter umgeworfenen Regalen, bewegte sich etwas. Ich starrte angestrengt in die Dunkelheit und versuchte, im Schatten etwas zu erkennen, doch da sprang es schon auf mich zu.
Heddy bellte, als der Hirsch mit einem Satz aus dem Laden stürmte, die Straße hinunterrannte und schließlich verschwand. Wir waren seit vier Stunden unterwegs, vielleicht auch länger, und liefen im Zickzack durch die Stadt. Wir waren kurz vor der Route 80 und der Brücke nach Oakland, die uns zu Caleb bringen würde. Bald darauf war die moosbewachsene Auffahrtsrampe zu sehen. Ich erwartete, dass Maeve oder Quinn aufkreuzen würden oder dass ein Streuner herausspränge und unsere Vorräte einforderte. Doch nichts dergleichen passierte. Ich würde wieder bei Caleb sein. Mit jedem Schritt schien es sicherer, greifbarer. Von nun an wären es Caleb, ich, Arden und Heddy – unser eigener kleiner Stamm, der sich in der Wildnis verstecken würde.
Wir gingen die Auffahrt zur 80 hoch, zwischen Autos hindurch, die für immer im Verkehr erstarrt waren. Als wir an der ehemaligen Baustelle vorbeikamen, die Caleb und ich bei unserer Ankunft gesehen hatten, wurden meine Schritte leichter. »Da ist es!«, schrie ich, als die Straße in einer Kurve oben am Ozean entlangführte. Das riesige Gebäude lag direkt vor uns, der blaue Putz bröckelte in großen Brocken ab. IK A stand da in großen gelben Buchstaben; wo einst das E gewesen war, ließ sich nur noch ein schwacher Schatten ausmachen.
Mich trennte nicht mehr als ein verlassener Parkplatz und eine Betonwand von Caleb. Ich fing an zu rennen und kümmerte mich einfach nicht mehr um den Schmerz, den ich nach dem Sturz in meinem Knie spürte; Arden rief mir hinterher. »Du solltest nicht allein gehen«, versuchte sie, mich zu warnen.
Diesen Moment hatte ich mir so oft vorgestellt. In den Wochen nach meiner Ankunft in Califia hatte ich zum Himmel hochgestarrt und mir gesagt, dass Caleb und ich beide darunter lebten. Dass, wo immer er war, was immer er tat (Jagen? Schlafen? Sein Essen über dem Feuer kochen?), wir immer etwas teilten. Manchmal wählte ich ein bestimmtes Gebäude in der Stadt und stellte mir vor, wie er dort ein wasserfleckiges Buch las, während er sich ausruhte und darauf wartete, dass sein Bein heilte. Ich war überzeugt, dass wir wieder zueinanderfinden würden – nur das Wie und Wann musste noch entschieden werden.
Als ich die Glastüren erreichte, waren sie verschlossen, um die Türgriffe war eine schwere Kette gewickelt. Zwei der unteren Scheiben waren allerdings herausgetreten. Ich nahm meinen Rucksack ab, zog die Taschenlampe heraus und krabbelte dann vorsichtig durch das Loch, um mich nicht an den Glaszacken zu schneiden. Innen war die riesige Halle dunkel und still. Das Morgenlicht, das durch die Türen fiel, warf nur ein schwaches Licht auf den Betonfußboden. Ich schaltete die Taschenlampe an, dann ging ich tiefer in das Gebäude hinein.
Der Lichtstrahl huschte über den Raum und verweilte auf einer Kiste mit modrigen Kissen, dann auf einem ehemaligen Bettgestell und einer Kommode, auf der eine Lampe und Bücher standen, als würde jemand dort wohnen. In einer Ecke waren eine Küche, ein Kühlschrank und ein Herd noch immer an ihrem Platz und am Ende des Gangs ein Wohnzimmer mit einem langen blauen Sofa. Ich war schon früher an Läden vorbeigelaufen, hatte die langen, engen Innenräume gesehen, aber das hier fühlte sich wie ein riesengroßes Labyrinth an, jeder Raum ging in den nächsten über.
Ich hörte ein Rascheln und sprang zurück. Im Strahl der Taschenlampe sah ich eine Ratte vorbeihuschen. Im Esszimmer auf der anderen Seite lagen einige umgekippte Stühle. Da ich nicht das Risiko eingehen wollte, in die Dunkelheit hineinzurufen, verhielt ich mich ruhig und trat so
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