Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
vor dem Springbrunnen auf und ab. Stark führte mich durch eine Reihe goldener Türen in einen kleinen verspiegelten Aufzug und gab einen Code in die Tastatur ein. Die Türen schlossen sich und dann fuhren wir höher und höher, mir wurde flau im Magen, als die Stockwerke vorbeiflogen.
»Das werden Sie bereuen«, sagte ich und zerrte an meinen Fesseln. »Ich werde ihm erzählen, was Sie getan haben. Dass mich Ihre Männer auf dem Parkplatz auf den Boden gestoßen haben. Dass Sie gedroht haben, mich umzubringen.« Ich sah auf die klaffende Wunde an meinem Arm, das angetrocknete Blut wurde schon schwarz.
Stark schüttelte den Kopf. »Koste es, was es wolle«, sagte er mit tonloser Stimme. »So lautete mein Befehl. Bringt sie her, koste es, was es wolle.« Dann drehte er sich zu mir, seine Augen waren blutunterlaufen. Er packte mich am Hemdkragen und zog mich zu sich, bis mein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt war. »Die Männer, die du umgebracht hast, waren wie Brüder für mich. Sie haben drei Jahre lang jeden Tag mit mir Militärdienst geleistet. Der König wird dich für deine Tat niemals bestrafen, aber ich werde dafür sorgen, dass du nie vergisst, was an jenem Tag geschehen ist.«
Vor uns öffneten sich die Türen mit einem furchterregenden Bing. Starks Nägel bohrten sich in meinen Arm, als er mich zu einem Zimmer am anderen Ende des mit Teppich ausgelegten Gangs führte.
»Du wartest hier auf ihn«, sagte er und zog ein Messer aus der Hosentasche. Mit einem Ruck durchtrennte er meine Fesseln. Die plötzliche Blutzufuhr in den Händen ließ meine Finger kribbeln.
Die Tür schloss sich hinter ihm. Ich sprang auf und rüttelte am Türgriff, auch wenn ich schon vorher wusste, dass die Tür verschlossen sein würde. In der Mitte des Zimmers stand ein langer Mahagonitisch mit einigen schweren Stühlen. Ein großes Fenster bot Ausblick auf die Stadt, darunter befand sich ein breiter Vorsprung. Ich ging zur Scheibe, klemmte meine Finger darunter und versuchte, sie aufzuziehen. »Bitte geh auf«, murmelte ich atemlos, »geh bitte einfach auf.« Ich musste aus diesem Zimmer heraus. Egal wie.
»Sie sind verplombt«, sagte eine leise Stimme. Ich erstarrte und drehte mich um. In der Türöffnung stand ein Mann um die sechzig, mit grauen Haaren und durchsichtiger, pergamentartiger Haut.
Ich trat vom Fenster zurück und ließ die Arme hängen. Er trug einen dunkelblauen Anzug und eine Seidenkrawatte, auf das Revers war das Wappen des Neuen Amerika gestickt. Er machte einige Schritte auf mich zu, lief dann einmal langsam um mich herum, seine Augen musterten meine zerzausten rotbraunen Haare, das schweißdurchnässte Leinenhemd, die aufgeschürften Stellen, die die Fesseln auf meinen Handgelenken hinterlassen hatten, und die Wunde an meinem Arm. Als er seine Begutachtung schließlich beendet hatte, stellte er sich vor mich, streckte den Arm aus und streichelte mir über die Wange. »Mein schönes Mädchen«, sagte er und fuhr mit dem Daumen über meine Stirn.
Ich schlug seine Hand weg und wich zurück, ich wollte den größtmöglichen Abstand zwischen uns bringen. »Bleiben Sie mir vom Hals«, sagte ich. »Es ist mir egal, ob Sie der König sind.«
Er stand einfach nur da und starrte mich an. Dann trat er einen Schritt vor und noch einen und versuchte, mir näher zu kommen.
»Ich weiß, warum ich hier bin«, fauchte ich ihn an, lief um den Tisch herum und wich zurück, bis ich gegen die Wand stieß. »Und ich sterbe lieber, als Ihr Kind auf die Welt zu bringen. Haben Sie mich verstanden?« Ich hob den Arm, um ihn zu schlagen, doch er packte mein Handgelenk mit festem Griff. Seine Augen waren feucht. Er beugte sich herunter, bis seine Augen auf der gleichen Höhe waren wie meine.
Als er schließlich sprach, kam jedes Wort langsam und wohlüberlegt.
»Du bist nicht hier, um mein Kind auf die Welt zu bringen.« Er stieß ein seltsames Lachen aus. »Du bist mein Kind.« Er zog mich an sich, nahm mein Gesicht in die Hände und küsste mich auf die Stirn. »Meine Genevieve.«
ELF
So standen wir einen Moment, seine Hand lag auf meinem Hinterkopf, bis ich mich losmachte. Ich bekam keinen Laut heraus. Seine Worte schossen mir durch den Kopf und zersetzten mit ihren schrecklichen Konsequenzen alles – Vergangenheit und Gegenwart.
Ich fühlte mich benommen. Was hatte mir meine Mutter als Kind erzählt? Was hatte sie genau gesagt? Solange ich denken konnte, hatte es immer nur uns zwei gegeben. Es gab
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