Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Titel: Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
Vom Netzwerk:
hinunter. Um kein Geräusch zu verursachen, zog ich die Schuhe aus.
    Die Ausgangssperre war zwar noch nicht in Kraft, doch die Straßen leerten sich allmählich. Ich tauchte in den Gruppen von Arbeitern unter, die Schichtwechsel hatten. Immer, wenn ich mich umdrehte, um nachzusehen, ob mir jemand folgte, wurde mir flau im Magen.
    Einige Stadtbewohner spazierten auf dem Heimweg zu ihren Wohnblocks Arm in Arm über die Überführung. Ein Jeep kam die Straße herunter, zwei Soldaten streckten die Köpfe über die Ladefläche und suchten die Gehwege ab. Ich lief mit gesenktem Kopf, bog nach rechts ab, um die Hauptstraße zu überqueren, und ging auf das Gebäude zu, das Caleb markiert hatte. Es hieß Venetian – das ehemalige Hotel war zu einem Bürogebäude umfunktioniert worden. Einige Restaurants waren wieder geöffnet, man hatte die Gärten neu bepflanzt und in den breiten Kanälen floss wie früher Wasser. Als ich über die Bogenbrücke lief, glitt ein Boot vorüber, das die letzten Passagiere des Tages beförderte.
    Ich war noch einige Schritte vom Haupteingang entfernt, als ich eine Gestalt an der Anlegestelle bemerkte und mich umdrehte. Sie war viel kleiner als ich, trug aber dieselbe Uniform, ihr lockiges braunes Haar war zurückgebunden. »Warten Sie auf eine Gondel, Miss?«, fragte sie leise und verschwand unter einem Vorbau im Dunkeln, wo sie stehen blieb und auf meine Antwort wartete.
    Ich sah auf die Karte, auf das Kreuz, das Caleb direkt neben der Anlegestelle eingezeichnet hatte, und nickte. Ich folgte ihr zum Wasser. »Du solltest deine Weste ausziehen, Eve«, flüsterte sie. Im Licht, das vom Wasser reflektiert wurde, sah ich ihre zarten Hände und die antike Gemmenbrosche, die sie um den Hals trug. »Es würde merkwürdig aussehen, wenn eine der Angestellten auf dem Wasser herumfährt. Lass die Mütze heruntergezogen.«
    Ich zog die Weste aus und drückte sie ihr genau in dem Moment in die Hand, als ein schmales Boot an uns vorüberglitt. Caleb stand auf dem Heckschnabel, er trug ein schwarzes Hemd und einen weißen Hut, der sein Gesicht verdeckte. Ich suchte die Menge ab, die die Gärten verließ, und hielt nach Soldaten Ausschau. »Letzte Fahrt heute«, rief er. Er lenkte das Boot mit einem langen Holzruder und hielt an der Anlegestelle, damit ich einsteigen konnte. Während die letzten Besucher aus den Gärten des Venetian Hotels schlenderten, stieß er die Gondel ins offene Wasser.
    Ich saß ihm gegenüber, unsere Blicke trafen sich, als er in die Mitte des Kanals lenkte, wo uns niemand hören konnte. Wir trieben auf dem klaren Wasser, hinter uns gingen im Turm des Venetian die Lichter an. Es dauerte eine Weile, bis einer von uns sprach.
    »Sie wissen, dass du in der Stadt bist«, sagte ich. »Wir sollten nicht hier sein. Es ist jetzt zu gefährlich. Was ist, wenn mir jemand gefolgt ist?«
    Caleb suchte die Brücke ab. »Sie sind dir nicht gefolgt«, sagte er leise.
    Meine Hände zitterten. Ich versuchte, ihn nicht anzusehen, als ich sprach. Stattdessen lehnte ich mich auf dem Sitz zurück, um ruhiger zu werden. »Der König vermutet eventuell etwas. Clara hat mich vorgestern weggehen sehen. Gestern hat sie auf dem Markt in seiner Anwesenheit eine Bemerkung fallen lassen.« Ich sah ihn flehend an. »Ich kann dich nicht wiedersehen, Caleb. Mir können sie nichts tun, ich bin seine Tochter. Aber dich werden sie töten, wenn sie dich fassen. Dein Bild ist überall in der Stadt.«
    Caleb tauchte das Ruder ins Wasser, seine Muskeln spannten sich bei der Anstrengung. Als wir auf die Brücke zutrieben, tanzten Lichter auf der Kanaloberfläche. »Was ist, wenn ich morgen umgebracht werde?«, sagte er und presste die Lippen aufeinander. »Welchen Unterschied macht es dann noch? Heute lebe ich und bin hier. Ich war auf den Baustellen und habe mit den Leuten in den Außenbezirken gesprochen. Allmählich begreifen sie, dass es einen anderen Weg gibt. Wir diskutieren einen Aufstand. Moss braucht mich.« Er lächelte. Es war das Lächeln, das ich liebte, bei dem sich auf seiner rechten Wange ein Grübchen bildete. »Und ich würde gern glauben, dass du mich auch brauchst.«
    »Ich will, dass du hier bist«, sagte ich. »Natürlich will ich das.«
    »Dann will ich auch hier sein.« Caleb drehte das Ruder auf dem Wasser und lenkte uns. »Ich kann nicht herumsitzen und nichts tun. Ich hab dich schon einmal aufgegeben … Das werde ich nicht noch einmal tun.«
    Er schwieg für lange Zeit. »Kennst du Italien?«,

Weitere Kostenlose Bücher