Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
fragte er schließlich. Ich nickte und erinnerte mich an das Land, über das ich in unseren Kunstgeschichtebüchern gelesen hatte, aus dem so viele Meister – Michelangelo, Leonardo da Vinci, Caravaggio – stammten.
»Ich habe mal gelesen, dass Venedig die romantischste Stadt der Welt war. Statt Straßen gab es dort Kanäle. Die Menschen spielten Geige und tanzten auf dem Markusplatz, Boote brachten sie von einem Ort zum anderen. Ich weiß, dass ich dich nie dorthinbringen kann, aber wir haben das hier.«
Ich starrte auf den goldenen Turm über uns, den spiegelglatten Kanal, die kunstvollen Bögen unter der Brücke. Die Nacht war ruhig. Ich hörte nur das Rascheln der Palmen im Wind und das Boot, das durch das reglose Wasser glitt.
Caleb stieg vom Heck und kam zu mir, vorsichtig, um das Boot nicht zum Kentern zu bringen. »Wir sind jetzt hier, zusammen. Lass es uns genießen.«
Er sah mich an, während das Boot unter die Brücke in die Dunkelheit glitt. Er stemmte das Ruder gegen das Wasser, damit wir langsamer fuhren. Dann war er direkt vor mir, sein Gesicht war kaum zu erkennen, als seine Nase meine Wange streifte, sein Atem fühlte sich heiß auf meiner Haut an. Ich drückte meine Stirn gegen seine. »Ich hab einfach Angst. Ich will dich nicht noch mal verlieren.«
»Das wirst du auch nicht«, sagte er und zog mir die Mütze vom Kopf. Seine Hand tastete sich zu meinem Nacken, seine Finger verfingen sich in meinen Haaren. Ich ließ zu, dass er mich hielt, mein Kopf lag in seiner Handfläche. Er fuhr mit den Fingerspitzen über meine Wirbelsäule und massierte mir durch das Hemd hindurch den Rücken. Dann lagen meine Lippen auf seinem Hals, wanderten über die weichen Muskeln, bis sie seinen Mund fanden.
Seine Hand machte an meiner Taille halt. Er zupfte vorsichtig am Saum meines Uniformhemdes, als wollte er mich etwas fragen. Er hatte mich noch nie zuvor so berührt, seine Finger lagen auf meiner bloßen Haut. Es war genau das, wovor uns die Lehrerinnen in ihren Lektionen gewarnt hatten, vor den Männern, die unsere Abwehrmaßnahmen ständig auf die Probe stellten, eine davon überrollten, um sich dann die nächste vorzunehmen. Sie wollten alle dasselbe – einen so lange benutzen, bis nichts mehr von einem übrig war.
Ich hatte mich so viele Jahre auf diesen Moment vorbereitet, um mich dagegen wappnen zu können. Aber ich verspürte überhaupt nicht das Bedürfnis. Nicht in diesem Moment – nicht mit Caleb. Er bat um Erlaubnis, sein Gesicht spiegelte die Nervosität wider, die ich fühlte. Ich will näher bei dir sein, schien er zu sagen, als er sich auf die Unterlippe biss. Lässt du mich?
Ich kletterte neben ihn auf die Bank, legte die Arme um seinen Hals, die Brücke verbarg unsere eng umschlungenen Körper. Sein Kopf fiel nach hinten, als ich ihn küsste, die Wärme seiner Zunge machte mir Lust auf mehr. Ich nickte und führte seine Hände zu meiner Taille, behutsam zog er mein Hemd aus dem Hosenbund. Seine Berührung machte mich atemlos.
Das Boot trieb im kühlen, dunklen Tunnel. Das Wasser plätscherte gegen die Brückenpfeiler. Seine Hände wanderten über meinen Rücken, als er mich näher an sich zog und seinen Oberkörper gegen meinen drückte. Ich legte mein Kinn auf seine Schulter. Er sagte etwas, jedes Wort klang gedämpft. Ich konnte ihn erst verstehen, als sein Mund genau an meinem Ohr lag und mich kitzelte. »Es ist mir egal, was passiert, Eve«, wiederholte er. »Das hier ist nichts, wovor ich einfach davonlaufen kann. Nicht dieses Mal. Ich werde nicht gehen.«
Ich starrte ihn an. Unsere Nasen berührten sich fast. Ich umfasste sein Gesicht mit den Händen und wünschte mir, die Stadt wäre verlassen, es gäbe keine Soldaten, die durch die Innenstadt patroullierten, keine Schritte auf der Brücke über uns, dass wir auf den offenen Kanal treiben könnten, seine Arme um mich geschlungen. »Ich weiß«, flüsterte ich und küsste ihn sanft, während wir auf das Ende des Tunnels zutrieben. »Alles andere ist unwichtig.«
Ich setzte mich wieder auf meinen Sitz. Er nahm seinen Platz am Heckschnabel ein, die anderthalb Meter zwischen uns erschienen mir nun viel länger. Als mich das Licht traf, setzte ich meine Mütze wieder auf. Langsam glitt die Gondel aus der Dunkelheit, das Ruder tauchte in die glatte Oberfläche des Kanals ein.
»Können wir zu den Tunneln gehen?«, fragte ich, als wir weit genug von der Brücke entfernt waren, dass uns niemand hören konnte. »Ich möchte sehen, wo
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