Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
oder zu unsicher, was im Wesentlichen an den Abrissarbeiten des Königs liegt. Wir graben uns ständig durch Schutt oder stellen fest, dass Teile verschüttet sind. Mit diesem hier haben wir es fast bis unter die Mauer geschafft, doch dann trafen wir auf einen Abschnitt, der komplett eingestürzt war.«
Harper zog den Gürtel hoch. »Die Verschüttungen sind zu massiv, um sich hindurchzugraben. Wir müssen uns eine andere Route durch die Hochwasserkanäle überlegen. Doch ohne Pläne des Abwassersystems tappen wir bloß im Dunkeln.«
»Dies hier ist der Eingang zum ersten Tunnel«, sagte Caleb und deutete auf das Loch. Hinter uns beugte sich das Paar über seine Arbeit. »Wir versuchen, den Hangar so zu lassen, wie wir ihn vorgefunden haben, für den Fall, dass Soldaten vorbeikommen. Der Schutt wird am Ende der Nacht herausgebracht, immer in kleinen Portionen, dann geht es am nächsten Abend mit dem Bau weiter – zumindest bisher.«
»Wo werden die beiden anderen Tunnel gegraben?«, fragte ich. »Wer arbeitet dort?« Beim Klang meiner Stimme hoben der Mann und die Frau den Kopf.
»Antworte bitte nicht darauf«, sagte der Mann mit tonloser Stimme. Er strich das Papier mit beiden Händen glatt.
In meinem Körper spannte sich jeder Muskel an. »Du weißt, dass ich eine Waise war«, sagte ich. »Bis vor ein paar Tagen glaubte ich, meine beiden Eltern seien tot. Ich bin nicht irgendeine Spionin. Ich habe Freundinnen, die noch immer in diesen Schulen eingesperrt sind …«
»Du warst bei der Parade, oder?«, unterbrach mich der Mann mit der kaputten Brille. Ich konnte meinen Schatten auf den Gläsern sehen, eine schwarze Gestalt vor orangefarbenem Laternenlicht. »Saßt du etwa nicht mit diesem dummen Grinsen auf dem Gesicht vor allen Bewohnern der Stadt auf dieser Bühne? Sag mir, dass du das nicht warst.«
Caleb trat einen Schritt vor und hob die Hand, um mich vor den Anschuldigungen des Mannes zu schützen. »Es reicht jetzt, Curtis. Wir fangen nicht wieder damit an, nicht jetzt.«
Doch ich duckte mich unter seinem Arm hindurch, ich konnte nicht mehr an mich halten. »Du kennst mich überhaupt nicht«, sagte ich und versuchte, ruhig zu klingen. Ich deutete mit dem Finger auf sein Gesicht. »Warst du in den Schulen? Da du so viel zu wissen scheinst, erzähl mir doch mal, wie es dort ist.« Der Mann wich einen Schritt zurück, durchbohrte mich jedoch weiter mit Blicken.
Wir hätten uns stundenlang so anstarren können, in der Hoffnung, dass der andere zuerst wegsehen würde, doch Caleb zog mich weg. »Lass uns gehen«, flüsterte er. Er deutete Harper gegenüber einen Gruß an, dann standen wir wieder im Hangar, hinter uns fiel die Tür zu. »Ich hätte dich nicht herbringen sollen. Curtis und Jo haben sich seit meiner Ankunft um mich gekümmert – sie haben eine Unterkunft für mich organisiert, haben mich unterstützt, als die anderen nicht sicher waren, ob sie mir die Leitung der Grabungen überlassen sollten. Normalerweise sind sie nicht so. Sie haben nur gerade gesehen, was mit Dissidenten passieren kann, die auffliegen.«
»Ich hasse es, wie sie mich angesehen haben«, brummte ich. Wir liefen durch die leere Halle, unter den verrosteten Flugzeugbäuchen hindurch.
Als wir die Tür erreichten, blieb Caleb stehen und legte mir die Hand auf die Wange. »Ich weiß«, sagte er und drückte seine Stirn gegen meine. »Es tut mir leid. Vielleicht werden sie dir nie ganz trauen. Aber ich traue dir – und nur das zählt.«
Wir blieben einen Moment stehen, sein Atem wärmte meine Haut, sein Daumen streichelte meine Wange. »Ich weiß«, war alles, was ich herausbrachte. Tränen brannten in meinen Augen. Hier standen wir nun, kilometerweit entfernt von der Höhle, von Califia, und trotzdem gab es keinen Platz für uns. Wir sprangen zwischen den Welten hin und her, er in meine, ich in seine, aber wir würden nie in der Lage sein, wirklich in einer von beiden zu leben.
Caleb sah auf seine Uhr, das Glas hatte einen Sprung. »Du kannst die zweite Straße parallel zur Hauptstraße hinuntergehen. Nimm den Weg über den ehemaligen Hawaii-Markt. Nachts um diese Zeit ist dort niemand.« Er sah mir in die Augen. »Mach dir keine Sorgen, Eve«, fügte er hinzu. »Mach dir bitte keine Gedanken ihretwegen. Wir sehen uns morgen Nacht.«
Ich presste meine Lippen auf seine, fühlte seine Fingerspitzen auf meiner Haut. Ich hielt sie fest, ich wollte, dass das schreckliche, unbehagliche Gefühl nachließ, und wünschte mir, wir
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