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Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Titel: Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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verwirren.«
    »Wäre es nicht noch viel verwirrender für sie, wenn ich in die Stadt zurückfahren und nie zurückkommen würde, wenn ich nicht einmal meine Freundinnen sehen wollte, um zu erfahren, wie es ihnen in der Berufsschule auf der anderen Seite des Sees ergeht?«
    Schulleiterin Burns sah mich an. Sie atmete tief aus, ihr Daumen rieb über die dicken Venen auf ihrem Handrücken. Ich starrte auf die Nippesfigürchen auf ihrem Regal – glänzende, aufdringliche Kinder, die mir nun bedrohlich vorkamen, ihre Gesichter waren in seltsamer, unnatürlicher Verzückung verzerrt. Eine ganze Weile sagte sie nichts.
    »Muss ich Sie daran erinnern, dass ich eines Tages Königin sein werde?«, sagte ich mit schärferer Stimme.
    Bei diesen Worten veränderte sich ihr Gesicht. Sie kam ein paar Schritte auf mich zu und zog die Nase kraus, als rieche sie etwas Fauliges. »Schön. Du wirst deine Freundinnen morgen sehen.« Sie wandte sich zur Tür, öffnete sie und bedeutete mir zu gehen.
    Ich erhob mich und strich mein Kleid glatt. »Vielen Dank, Schulleiterin«, sagte ich und versuchte, mir ein Lächeln zu verkneifen. Ich ging durch die Tür und tastete mich den dunklen Korridor hinunter, wie ich es schon so oft getan hatte.
    »Aber vergiss nicht, Eve«, rief sie, als ich schon fast die Treppe erreicht hatte. Sie stand immer noch in der Tür, die Laterne warf Schatten auf ihr Gesicht. »Noch bist du nicht Königin.«

NEUNUNDDREISSIG
    Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm gelegt. Ich lief Schritt für Schritt über die Brücke, die dünnen Holzplanken gaben leicht unter meinen Füßen nach. Sie waren nur wenig breiter als meine Schultern, links und rechts waren Seile gespannt; eine leichte Konstruktion, die sich über die glatte Seeoberfläche spannte. Joby, eine der Schulwächterinnen, ging hinter mir her. Ich drehte mich immer wieder nach den Mädchen um, die auf dem Rasen lernten. Beatrice stand neben dem Mensagebäude und unterhielt sich mit Lehrerin Agnes.
    Ich stellte mir vor, wie es an jenem Tag gewesen war: die Stühle auf dem Gras, das Podium vor dem See. Die Lehrerinnen am Ufer aufgestellt, so wie sie es jedes Jahr getan hatten. Wer hatte die Rede gehalten und den Mädchen etwas über ihre vielversprechende Zukunft erzählt? Wer hatte sie auf die andere Seite geführt? Ich stellte mir vor, wie Pip sich umgedreht und auf mich gewartet hatte, weil sie sicher war, dass ich im letzten Moment noch auftauchen würde.
    Als wir das andere Ufer erreichten, war der Boden noch feucht. Joby ging voraus, lief um das Gebäude und winkte mir zu, ihr zu folgen. Als wir um die Ecke bogen, sah ich die hohen Fenster, durch die ich in der Nacht meiner Flucht gespäht hatte. Der Eimer, auf den ich mich gestellt hatte, stand nicht mehr da.
    »Es ist doch bestimmt komisch, wieder hier zu sein«, sagte Joby, ihr langes schwarzes Haar war unter die Wächterinnenmütze geschoben. Sie sah mich an, als wolle sie mich an das letzte Mal erinnern, als ich sie gesehen hatte, an genau diesem Ort, als Arden aus dem Jeep gezerrt und ich von Stark weggebracht worden war.
    Ich nickte, weil ich keine Reaktion provozieren wollte. Bevor mich Joby auf der anderen Seite der Brücke abtastete, hatte ich den Schlüssel unter meine Zunge geschoben. Während er dort darauf wartete, Arden übergeben zu werden, hinterließ er einen starken metallischen Geschmack in meinem Mund.
    Sie ging auf die hoch eingezäunte Abteilung zu, in die Arden gebracht worden war. Joby öffnete die erste Tür und führte mich über eine kurze Schotterauffahrt. Dann gingen wir durch die nächste Tür zu dem grasbewachsenen Garten, in dem ich Ruby gesehen hatte. Bei den zwei Steintischen war keine Spur von den Absolventinnen zu sehen. »Warte hier«, befahl sie. »Sie kommt gleich raus.« Damit verschwand sie im Gebäude.
    Ich schritt den Garten ab und versuchte, ruhiger zu werden. Direkt hinter dem Zaun, neben dem verschlossenen Tor, beobachteten mich zwei weitere Wächterinnen mit umgehängten Gewehren. Ich schob den Schlüssel in meinem Mund hin und her. Ich hatte nicht geschlafen. Stattdessen hatte ich mir Pip vorgestellt, wie ich sie das letzte Mal im Freien gesehen hatte: Sie hatte auf dem Rasen des Schulhofes Pirouetten gedreht, während die Fackeln einen warmen Schimmer auf ihre Haut warfen. Ich erinnerte mich daran, wie ich sie aufgezogen hatte, wenn sie neben mir am Waschbecken stand oder mit hoch erhobenen Armen laut johlte, wenn sie beim Hufeisenwerfen gewonnen

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