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Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt

Titel: Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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darunter stand in großen dicken Buchstaben: ANNIKA & BESS: FÜR IMMER BESTE FREUNDINNEN. Jede Spur von Pip, Ruby und mir war verschwunden.
    »Es geht mir gut. Das. Leben ist anders in der Stadt«, sagte ich und kümmerte mich nicht weiter um den Kloß in meinem Hals.
    »Ich wusste nicht, dass du die Tochter des Königs bist«, erklärte Lehrerin Florence. »Das war etwas, das nur Schulleiterin Burns wusste.« Sie setzte sich auf eines der schmalen Betten, ihre Finger zupften an der steifen grauen Decke herum.
    Ich überlegte, ob es etwas geändert hätte – ob sie mir trotzdem in jener Nacht bei der Flucht geholfen und mich aus der Geheimtür in der Mauer gelassen hätte. »Das habe ich mir gedacht«, sagte ich langsam.
    »Ich habe gehört, dass Arden zurückgebracht wurde und dass sie jetzt auf der anderen Seite des Sees ist. Wusstest du das?«, fragte sie.
    Ich setzte mich neben sie. »Ja.« Wir starrten beide auf den Boden und vermieden es, einander anzusehen. »Ich habe sie in der Wildnis getroffen. Sie hat mich gerettet.« Ich sah auf die zerbrochene Bodenfliese, unter der Pip und ich früher immer Nachrichten versteckt hatten. Das abgebrochene Stück fehlte nun, man sah den schmutzigen Mörtel.
    Sie erhob sich und spielte mit den Schlüsseln in ihrer Hosentasche. »Ich war diejenige, die die Mädchen zur Abschlussfeier gebracht hat. Pip wollte nicht gehen. Sie brach in Tränen aus. Sie schwor, dass dir etwas passiert sein musste – dass du niemals gegangen wärst. Sie bat Schulleiterin Burns immer wieder, die Wächterinnen außerhalb der Mauer suchen zu lassen. Da kamen mir Zweifel an dem, was ich zu dir gesagt hatte …« Sie redete nicht weiter, ihre Hand bewegte sich in der Hosentasche und erfüllte die Stille mit Geklimper. »… vielleicht hätte es anders laufen können.«
    Ich hatte diesen Moment schon so oft in Gedanken durchgespielt, mir Lehrerin Florences Worte in Erinnerung gerufen, ihren Befehl, alleine zu gehen. Ich hatte mir alles Mögliche vorgestellt, was ich hätte tun können, hatte mir vorgestellt, wie ich Pip und Ruby geweckt oder mich irgendwo hinter der Mauer versteckt hätte. Ich hatte mir vorgestellt, wie ich am nächsten Tag zurückgekommen wäre, als sie sich auf dem Rasen versammelten, und ihnen die Wahrheit über die Absolventinnen und die Pläne des Königs zugebrüllt hätte.
    Lehrerin Florence ging zur gegenüberliegenden Ecke, wo ein einzelner Stuhl an der Wand stand. Sie schob ihn zur Seite. »Das habe ich erst entdeckt, nachdem die Mädchen über die Brücke gegangen waren. Ich kam zurück, um das Zimmer auszuräumen.«
    Ich kniete mich hinter den Stuhl neben sie, meine Finger fuhren über die eingeritzten Buchstaben. EVE + PIP + RUBY WAREN HIER, stand da.
    Ich hatte es völlig vergessen. Pip war eines Morgens nach dem Frühstück ins Zimmer gekommen und war wegen Violet aufgeregt gewesen, einem anderen Mädchen aus unserem Jahrgang, das auf die Wand ihres Schranks geschrieben hatte, hinter den Kleidern, wo es niemand sehen würde. Sie hatte unser Bett vor die Tür geschoben, dann setzten wir uns hin und ritzten mit einem gestohlenen Messer unsere Namen in die Wand. Jetzt starrte ich mit tränenfeuchten Augen darauf und erinnerte mich, wie zufrieden sie an diesem Tag gelächelt hatte, als unser kleines Meisterwerk vollendet war.
    Bevor ich etwas sagen konnte, lag Lehrerin Florences Hand in meiner und drückte mir einen kalten Gegenstand in die Handfläche. Sie nickte, wie um zu bestätigen, was es war, dann drückte sie meine Hand nach unten und bedeutete mir, den Gegenstand wegzustecken. Ich schob ihn in die Tasche, ich hatte sofort gespürt, dass es ein Schlüssel war. Der Schlüssel.
    Die Tür flog auf, knallte gegen die Betonwand. »Du hattest zu viel Angst, sie zu fragen!« Die Stimme eines Mädchens beendete unser Schweigen. »Manchmal bist du so eine Memme!«
    Zwei fünfzehnjährige Mädchen waren hereingekommen, die Vorderseite ihrer Nachthemden war feucht vom Gesichtwaschen. Als sie uns sahen, blieben sie wie angewurzelt stehen. Eines der Mädchen lief so knallrot an, dass sich sogar seine Ohren röteten.
    »Wolltest du mich etwas fragen?«, fragte ich lächelnd, als ich um den Stuhl herumlief. Die Mädchen gaben keine Antwort. »Das hier war früher mein Zimmer. Ich hoffe, es stört euch nicht; Lehrerin Florence hat mich herumgeführt.«
    Dem Mädchen, das geredet hatte, fielen dicke dunkle Ponyfransen in die Augen. »Nein«, murmelte es und schüttelte den Kopf.

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