Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
Mann mit einem abgebrochenen Schneidezahn, die Schultern, sodass er den gesamten Türrahmen ausfüllte.
»Euer Vater wünscht Euch zu sprechen«, sagte der andere und packte mein Handgelenk. Ich hatte ihn schon einmal am anderen Ende des Flurs Wache stehen sehen. Sein Gesicht war so blass, dass man die dunklen Barthaare unter seiner Haut sehen konnte und er immer aussah, als trüge er einen Dreitagebart.
»Ich muss erst nach unten«, widersprach ich und machte mich los. »Er kann mit mir sprechen, wenn ich fertig bin.« Doch der andere Soldat griff nach meinem Arm. Ich musterte seine Hand, die meinen Bizeps umklammerte, während ich darauf wartete, dass er losließ. Stattdessen zog er mich mit sich, auf die Suite meines Vaters zu.
»Das kann nicht warten«, sagte er. Er sah mir nicht in die Augen.
Ich fühlte das Messer in meinem Gürtel, das sich eng an meine Hüfte schmiegte. Er hielt meinen rechten Arm fest, während der andere Soldat mich links flankierte, sodass mir kein Raum für ein Ausweichmanöver blieb. Sie führten mich durch den Flur zur Suite meines Vaters. Als wir uns der Tür näherten, konnte ich Charles’ Stimme auf der anderen Seite hören. Seine Worte klangen gehetzt.
»Das kann ich nicht sagen«, schloss er, als wir eintraten. »Ich glaube nicht, dass das stimmt.«
Der Soldat, mit dem er sprach, wandte sich zu mir um. Der Lieutenant. Mein Vater war auf den Beinen und sah so fit aus wie seit Tagen nicht mehr. Ein weiterer Mann stand mit dem Rücken zu mir, die Hände mit Kabelbindern gefesselt. An dem kurzen, ergrauenden Haar und dem angelaufenen Goldring erkannte ich, dass es Moss war.
»Genevieve«, sagte der Lieutenant, »wir versuchen gerade, uns ein genaueres Bild zu verschaffen. Warst du diejenige, die den Oleanderextrakt unter die Medizin deines Vaters gemischt hat, oder war es Reginald selbst?« Moss drehte sich zu mir um und sah mich mit seinen dunklen Augen an. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht entschlüsseln – keine Angst, keine Verwirrung, nichts.
»Ich habe ihnen gesagt, dass ich keine Ahnung habe, wovon sie reden«, ging Charles dazwischen. Seine blauen Augen verengten sich, als hätte er Schwierigkeiten, mich zu erkennen.
Ich riss mich zusammen und versuchte, meinem Gesicht einen glaubwürdigen Ausdruck zu verleihen. »Warum sollte Reginald so etwas tun?«
Mein Vater warf dem Lieutenant einen Seitenblick zu, bevor er antwortete. »Lügen ist zwecklos. Einer der Rebellen hat ihn verraten. Nun stellt sich nur noch die Frage, wie das Gift in meine Medikamente gekommen ist, wenn man bedenkt, dass Reginald diese Suite seit Monaten nicht mehr betreten hat. Du warst hier an dem Tag, als wir erfuhren, dass du schwanger bist. Ich will wissen – hast du es da getan?«
»An dem Tag konnte ich kaum aufrecht stehen. So schlecht wie da war mir noch nie.«
An diesem Punkt explodierte mein Vater. Die Sehnen an seinem Hals traten hervor, als er mich anschrie. »Du kannst mich nicht länger belügen. Ich glaube dir kein Wort. Und wenn du glaubst, du wärst wegen deiner Schwangerschaft irgendwie immun, hast du dich geirrt.«
»Wogegen immun?«, fragte ich. »Immun dagegen, wie die anderen Rebellen ermordet zu werden? Wie alle, deren Ansichten dir nicht passen?«
Mein Vater sah mich nicht an. Stattdessen nickte er erst dem Lieutenant zu und deutete dann mit einem weiteren Kopfnicken auf Moss. Der Lieutenant packte Moss und stieß ihn zur Tür. Die Soldaten drehten mir den linken Arm auf den Rücken. »Das ist doch nicht nötig«, sagte Charles, während er vortrat und versuchte, sich uns in den Weg zu stellen. »Ich bin mir sicher, dass es sich um ein Missverständnis handelt – warum sollte Genevieve in das alles involviert sein? Wo bringen Sie sie hin?«
Der König antwortete nicht, sondern wandte sich zum Fenster um und sah auf die Menge hinunter, die sich auf der Straße versammelt hatte. Moss warf mir einen Blick aus den Augenwinkeln zu und ich fragte mich, ob er es bei all unseren Treffen, während wir in der Stille des Salons gesessen hatten, irgendwie geahnt hatte; ob er gespürt hatte, dass wir auf diesen Augenblick zurasten. Konnte er gewusst haben, dass wir gemeinsam hier enden würden, dass unser beider Zukunft so eng zusammenhing?
Bevor die Soldaten auch meinen anderen Arm packen konnten, griff ich nach dem Messer in meinem Gürtel. Sie brauchten einen Moment, bis sie verstanden, was vor sich ging. Moss zögerte nicht. Er ließ sich mit seinem ganzen Gewicht nach
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