Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
und zurück in die Schulen gebracht werden. Es konnte Jahre dauern, bis sie befreit wurden, wenn überhaupt. Wie viele von ihnen mochten in diesen Gebäuden sein? Dies war ihre einzige Chance zu entkommen. Ich konnte nicht viele von ihnen mitnehmen, falls es mir überhaupt gelingen würde hineinzukommen. Aber ich konnte sie nicht zurücklassen, ohne wenigstens irgendetwas unternommen zu haben.
»Warte dort«, rief ich Clara zu. »Der Tunnel ist keine zwei Blocks mehr entfernt. Er befindet sich in einem Motel mit einer Acht darauf.« Ich ließ meine Tasche fallen und deutete auf die Markise eines verlassenen Lebensmittelladens. Clara rief mir nach, worauf sie denn warten solle, aber ich rannte bereits auf das Gebäude zu und ihre Stimme ging im Prasseln des Regens unter.
Zwei Soldaten standen vor dem Haupteingang. Ich schlich mich zur Rückseite. Dabei bemerkte ich eine ältere Frau beim Seiteneingang. Unsere Blicke trafen sich. Sie winkte mich zu sich. Erst als ich bis auf ein paar Meter an sie herangekommen war, fiel mir die leuchtend rote Strähne in ihrem Haar auf. Das war die Frau, von der Moss gesprochen hatte.
»Sie wissen, dass du hier bist«, sagte sie, indem sie sich vorbeugte. Sie sah mich nicht an. Stattdessen behielt sie über meine Schulter hinweg die Umgebung im Blick. Die hohen Büsche boten nur unzureichenden Schutz vor Fahrzeugen, die auf der Straße vorbeifuhren. »Die Truppen sind in Alarmbereitschaft. Dir bleiben zehn, vielleicht fünfzehn Minuten, bevor sie hier eintreffen. Sie haben die Jeeps vom Nordteil der Mauer abgezogen. Du musst auf der Stelle verschwinden.«
Ich drückte mich an die Wand des Gebäudes, um wenigstens für einen Moment dem herunterprasselnden Regen zu entkommen. »Sie müssen mich reinlassen«, flehte ich. »Bitte – ich beeile mich.«
»Auf diesem Stockwerk sind Dutzende Mädchen – wenn nicht mehr. Was hast du vor?«
»Bitte«, wiederholte ich. »Ich habe keine Zeit.«
Sie antwortete nicht. Stattdessen öffnete sie das Schloss und zum ersten Mal fiel mir auf, dass ihre Hände zitterten. »Das ist alles, was ich tun kann«, sagte sie. »Es tut mir leid, ich werde niemandem etwas davon sagen, aber ich kann dir nicht weiterhelfen.« Sie trat einen Schritt zurück, dann bog sie um die Ecke des Gebäudes und verschwand.
Ich legte einen Stein vor die Tür, um sie offen zu halten. Drinnen war es still. Einige Mädchen in einem Nebenzimmer unterhielten sich über die Explosionen, die sie draußen gehört hatten, und fragten sich, was passiert war und warum. Zwei von ihnen saßen unter einem riesigen Kalender mit der Aufschrift Januar 2025. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt, während sie miteinander sprachen. Erst als Beatrice meine Schritte hörte und sich umdrehte, erkannte ich sie.
»Was machst du denn hier?«, fragte sie und kam auf mich zu. Sarah folgte ihr mit verquollenen Augen. »Stimmt es, was sie sagen? Dass sie die Mädchen zurück in die Schulen bringen?«
»Wir müssen so viele Mädchen zusammentrommeln wie möglich«, antwortete ich und warf einen Blick in eines der Zimmer. Darin saßen einige Mädchen im Schneidersitz und lasen alte Zeitschriften. »Es gibt einen Weg raus aus der Stadt. Sagt ihnen, sie sollen die wärmsten Kleider einpacken, die sie haben, und alles an Proviant mitbringen, was sie auftreiben können. Wie viele sind auf diesem Flur?«
»Nur neun«, sagte Sarah. »Der Rest ist dort drüben.« Sie deutete auf die geschlossene Flügeltür in ihrem Rücken.
Ich huschte ins zweite Zimmer, ohne auf Beatrices Antwort zu warten. Vier Mädchen hatten sich in ihren Betten zusammengerollt und lasen abgegriffene Ausgaben von etwas namens Harry Potter. Sie sahen auf, als ich ihr Zimmer betrat, und musterten meine durchweichte Kleidung und mein Haar, das in dicken schwarzen Locken in meinem Gesicht und Nacken klebte. Als ich in ihre Gesichter blickte, wusste ich auf einmal nicht mehr, was ich ihnen sagen sollte, um sie zu überzeugen, auf der Stelle mit mir zu kommen und alles zurückzulassen, was sie kannten. »Ich möchte, dass ihr alle eure Sachen zusammenpackt und euch beim Ausgang aufstellt«, sagte ich. »Ihr seid hier nicht mehr sicher. Packt alles an Proviant ein, was ihr habt, und macht euch bereit, in zwei Minuten hier zu verschwinden. Keine Minute länger.«
Ein Mädchen mit blonden Haaren und Sommersprossen sah mich misstrauisch an. »Wer bist du? Wissen die Wachen, dass du hier bist?«
»Nein – und du wirst es ihnen auch nicht
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