Eve - Das brennende Leben
blinkend ein. Ralea rief das Bild auf, ließ aber die Projektion von sich laufen. Dabei tastete sie mit einer Hand instinktiv nach einer Adrenalininjektion in ihrer Schublade. Noch einmal durfte Alder sie nicht in diesem Zustand sehen.
Der VidCast zeigte eine Frau, die ungefähr in ihrem Alter war, mit den Augen rollte und auf ihren Fersen vor und zurück wippte. Ralea legte das Tuch und das Adrenalin weg und betätigte den Summer.
Herein kam Heci – ihre beste Freundin und ebenfalls Agentin. Kaum war sie drin, löste sie das Band, das ihre blonden Haare hielt, und ließ diese locker über ihre Schultern fallen. Sie beugte sich über den Schreibtisch und küsste Ralea auf die Wange. Falls sie den Schleier über Raleas Augen bemerkt hatte, verlor sie kein Wort darüber. Sie reichte Ralea eine Schachtel mit Caldari-Fastfood sowie eine kleine silberne Greifzange. Weder sie noch Heci war eine Caldari, sondern stolze Bürgerin der Gallente-Föderation; und als solche verstanden sie sich nicht immer unbedingt gut mit den Caldari; aber gutes, fettes Essen kannte keine Grenzen.
»Danke«, sagte Ralea. Sie war wirklich dankbar. Der Geruch
des Essens machte ihr klar, dass sie den ganzen Tag nichts Nahrhaftes zu sich genommen hatte.
»Du siehst scheiße aus«, sagte Heci.
Ralea lachte. »Danke. Ja. Bin ziemlich müde, aber halte mich noch aufrecht. Gehst du heute Abend aus?«
»Ich habe Jan schon seit Ewigkeiten einen freien Abend versprochen. Wir wollen ein HoloVid gucken und allen möglichen Mist essen, aber jedes Mal sage ich ab. Ich dachte mir, ich überrasche ihn zur Abwechslung mal.« Sie streckte eine Hand in die Höhe, in der sie eine Tüte mit Knabberzeug und eine Scheibe mit dem Quafe-Logo hielt. »Den haben wir verpasst, als er gelaufen ist. Ich habe ihn aus einer Laune heraus geholt. Das scheint eine Teenkomödie zu sein, die von Quafe gesponsert wurde. Ich kann es kaum abwarten, sie zu sehen. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gut amüsiert.«
»Du kannst für mich auch was gegen den Bildschirm werfen, o.k.?«, fragte Ralea. »Aber der Flug von dieser Station zu seiner dauert drei Stunden, richtig? Wirst du morgen zur Arbeit kommen?«
»Ich werde es versuchen«, sagte Heci und zwinkerte schelmisch. »Müde, mit schmerzenden Knochen und verschlafenem Grinsen, aber ich werde hier sein.«
»Du bist ein Luder«, sagte Ralea.
»Du solltest mal sehen, was Jan mit Schokolade anstellen kann.«
»Oh, mach, dass du rauskommst.«
»Und kennst du das Quafe-Soda? Das schmeckt noch mal so gut, wenn man es ableckt.«
»Blöde Kuh!«, rief Ralea lachend und warf ihr eine Nudel hinterher. Heci duckte sich und rannte mit ihrer Tasche aus dem Zimmer. Bevor sie die Tür schloss, machte sie laute, schlürfende Geräusche.
Der Bildschirm an der Wand zeigte den Übergang von einem
Nachmittag auf der Savanne des Planeten zur einsetzenden Abenddämmerung. Sterne begannen schwach am Himmel zu funkeln. Ralea starrte beim Essen darauf und stellte sich vor, dass sie in diesen Feldern saß und nichts zu tun hatte. Die Welt zog an ihr vorüber, und sie stopfte sich den Mund mit frittiertem Essen voll. Theoretisch hätte sie aus der Tür gehen und genau das tun können. Sie hätte sich auf irgendeinem armen Planeten in einer der Low-sec- Regionen – also einer Region mit geringerer Sicherheitsstufe – Land mieten, sich eine kleine Hütte kaufen und sich ein unbegrenztes Konto für jedes Restaurant des Kontinents zulegen können. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, diesen Ort zu verlassen. Nicht nur die Menschen, denen sie nahestand, hielten sie hier, sondern auch ihre Arbeit. Letztere bildete eine Herausforderung und war faszinierend, solange man nicht zu genau darüber nachdachte, was dahinterstand.
Sie hoffte, dass Heci einen schönen Abend haben würde. Jan war der letzte Freund in einer langen Reihe von Männern. Sogar Heci hatte inzwischen den Überblick verloren. Nach dem, was Ralea über ihn gehört hatte, schien er ein zuverlässiger Kerl zu sein. Vielleicht würde Heci deshalb ein wenig länger mit ihm zusammenbleiben. Vielleicht aber auch nicht. Sie hatte ihre Freundin wirklich ausgesprochen gern, bezweifelte aber, ob sie sich auf Dauer ändern würde. Genauso wenig, wie Ralea selbst es tun würde, egal, wie zerstörerisch, gefährlich oder leer ihr Verhalten auch war.
Irgendetwas trieb sie an; ein Verlangen oder ein Hunger, den keine der Frauen jemals in Worte fassen konnte. Doch sie wussten, dass er da war,
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