Eve - Das brennende Leben
reden.«
Ralea bemerkte, dass die Augen ihrer Freundin ebenfalls rot waren. Sie atmete tief ein und füllte ihre Lungen mit der frischen Luft, die ihr übers Gesicht strich.
»Ich wurde reich geboren.«
Heci beobachtete sie. Als nichts mehr folgte, fragte sie: »Und wie war dein Zuhause?«
Durch den Schleier von Schmerz und Dehydrierung wanderten Raleas Gedanken zurück zu alten Zeiten. »Es hatte nichts mit hier gemeinsam. Es war auf einem Planeten, aber innerhalb einer Kuppel. Es war ein herrliches, sicheres Leben.«
»Das hört sich nach einem ziemlich abgeschiedenen Leben an.«
»O ja. Ich war eine behütete Prinzessin.« Die Erinnerung an ihre Jugend erwärmte ihr Gemüt wie beruhigende Strömungen. Ralea fuhr fort: »Lange Zeit war das alles, was ich wollte. Ich liebte es zu lernen, also tat ich es. Aber diese Art Leben ist so bedeutungslos. Du bewegst dich nie vorwärts. Du wirst überall hingefahren, mit einem Hoverfahrzeug oder einem Shuttle transportiert oder hingeflogen.« Sie dachte darüber nach und atmete langsam in der frischen Höhenluft. »Nichts war irgendwie miteinander verbunden. Ich lebte vollkommen sicher in einer Blase und war dort eine Zeit lang glücklich. Das war falsch, denn wir beide wissen, dass etwas Gutes nicht von Dauer ist, wenn keine harte Arbeit dahintersteckt.«
»Wie wahr«, sagte Heci. Ralea bemerkte allerdings, dass sie
den Blick abwendete und geistesabwesend mit dem Strohhalm ihren Drink umrührte.
»Jedenfalls liebte ich es trotz der Isolation. Ich lebte mit meinen Eltern auf ihrem riesigen Landsitz auf dem Planeten und lernte alles über die Welt und wie sie funktionierte. Ich stellte mir immer vor, dass ich einmal eine tolle Karriere in einem Beruf machen würde, den ich noch nicht näher benennen konnte. Schließlich wurde das, wie du wahrscheinlich vor einiger Zeit schon gemerkt hast, zu einem kleinen Problem.«
Heci brachte ein schiefes Lächeln zustande. »Es muss schwer gewesen sein, dort auszubrechen.«
»Nun, es war weniger ausbrechen als …« Ralea seufzte und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich weiß es nicht. Der Punkt war bei mir als Teenager erreicht, als mir einiges gleichzeitig klar wurde. Ich war ein intelligentes Mädchen mit einem finanziellen Hintergrund, der es mir erlaubte, in allem, was ich anpackte, erfolgreich zu werden. Gleichzeitig hatte ich keinen gottverdammten Schimmer, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Die einzige Bestätigung, die ich erfuhr, war die Zustimmung derjenigen, die mir am nächsten standen. So entwickelte ich schließlich dieses irre Bedürfnis, mich vor ihnen zu beweisen.«
Sie hielt inne und nahm einen Schluck von ihrem Drink. »Du musst wissen, dass sie mich nicht vernachlässigt haben. Sie waren nicht die Art Eltern, die ihrem Kind aus der Entfernung Geld in den Schoß warfen.«
»Ich bin sicher, dass sie das nicht getan haben«, sagte Heci freundlich. »Es hört sich so an, als ob sie sehr liebevoll waren.«
Ralea nickte. Ihr Körper fühlte sich seit langer Zeit wieder etwas besser an. Das war nicht nur auf die letzte, verrückte Nacht bezogen, sondern auch auf die vorausgegangenen Wochen und Monate, in denen sie – wie sie jetzt wusste – in Zeitlupe auf den Zusammenbruch zugesteuert war. Ihre Geschichte
zu erzählen und ihr eigenes Leben aus der Distanz zu betrachten – all das gab ihr ein wenig von dem dringend benötigten Abstand.
Sie sagte: »Sie waren einfach der einzig verlässliche Gradmesser für das, was ich in dieser Welt des Überflusses, in der ich wohnte, erreichte. Was dann geschah, war unvermeidlich. Ich wurde besessen davon, immer härter zu arbeiten. Schließlich blieb mir nur diese Besessenheit, um unter Beweis zu stellen, dass ich wirklich ein Mensch war. Dabei ging einiges leider ziemlich schief …« Der Blick ihrer Freundin kehrte schlagartig zu ihr zurück, aber sie stellte keine Fragen. »… aber es machte mich nur … Ich weiß nicht.« Sie dachte darüber nach. »Es stärkte meine Entschlossenheit, denke ich.«
»Das ist eine nette Umschreibung dafür, dass du nur noch die Arbeit hattest.«
Ralea nickte erneut. »Als ich ausgewählt wurde, um hier zu arbeiten, so weit entfernt von dort, wo ich aufgewachsen war, empfand ich das als eine große Ehre. Ich sah das als Bestätigung dafür an, dass ich die ganze Zeit richtiggelegen hatte. Und ich war die Einzige aus meiner Familie, die je in eine Raumstation zog. Auch, wenn ich nur ein Datenerfassungsmädchen der
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