Eve - Das brennende Leben
fest und sagte: »Nein. Du wirst nicht davor wegrennen. Du siehst so aus, als ob du frisch aus dem Grab gekrochen bist. Ich habe das schon lange kommen sehen.«
»Ich … kann nicht … kündigen«, flüsterte Ralea. Sie versuchte, nicht zu weinen, und scheiterte.
Heci ließ ihren Kopf los und umarmte sie fest. Ralea zitterte wegen all der unterdrückten Gefühle, die sie nicht herauszulassen wagte.
Heci streichelte ihr übers Haar und sagte: »Jan hat mich betrogen. «
Ralea wimmerte und hielt Heci noch fester.
»Ich hab ihn mit einer anderen im Bett erwischt. Er sagte irgendwas, das ich nicht gehört habe. Ich habe die Snacks und das Holo Vid hingestellt und seine Wohnung verlassen. Er kam nicht hinter mir her. Das hat zwar wehgetan, aber ich war froh drum.«
»Das tut mir so leid«, sagte Ralea. Ihre Stimme wurde durch den Stoff von Hecis Hemd gedämpft.
»Mir auch. Es tut mir leid, dass ich dich so tief habe fallenlassen. Es tut mir leid, dass ich das bei mir auch zugelassen habe. Dieser Ort ist Gift und dieser Job ist Gift. Diese Welt tut nichts anderes, als uns zu zerbrechen, bis wir nur noch Staub unter den Füßen anderer sind.«
»Du hast nicht meine Fehler begangen«, sagte Ralea. »Du nimmst keine Drogen. Du hast keine Momente, in denen du durchdrehst, und keine Halluzinationen.«
Heci schüttelte den Kopf. »Weißt du, was diese Szene mit Jan bei mir bewirkt hat? Ich wollte nur noch vögeln. Irgendjemand ohne Namen und ohne Gesicht da draußen finden, der mich völlig durchnudelt. Genauso wie es mich damals geschafft hat, als ich die Namen nachgesehen habe. Ich bin auch nicht besser als du. Ich benutze nur ein anderes Ventil, um mir Erleichterung zu verschaffen.«
Die beiden Frauen standen da und hielten sich gegenseitig fest. Die Brise strich ihnen durchs Haar.
»Ich werde fortgehen«, sagte Heci.
»Wie bitte?«
»Und du kommst mit mir.«
Ralea löste sich aus der Umarmung und starrte Heci benommen an. »Wie meinst du das? Du kannst nicht gehen. Wir können nicht gehen! Wohin denn?«
»Irgendwohin, alles ist besser als hier, Süße. Wir müssen dich wieder clean bekommen und meinem bescheuerten Herzen Zeit geben zu heilen.«
Entsetzt sagte Ralea: »Ich kann doch hier nicht weg!«
Heci strich ihr über die Wange. »Du kannst nicht hierbleiben, meine Liebe, sonst wirst du sterben.«
»Ich bin nicht der Typ, der aufgibt. Wo sollen wir schon hingehen? Ich werde immer noch ich sein, egal, wo wir landen. Was soll ich den Leuten sagen? Hey, ich bin eine heruntergekommene Drogenabhängige, die gut darin ist, hart zu arbeiten und Massenmord zu begehen?«
»Die Leute können von mir aus kopfüber in ein Wurmloch springen«, verkündete Heci.
Ralea fing an, unkontrolliert zu zittern.
»Entzug?«, fragte Heci.
Sie schüttelte den Kopf. »Panikattacke.«
Heci hielt sie noch fester, aber Ralea entzog sich dem Griff ihrer Freundin. »Ich muss weg.«
»Wir müssen weg, ja.«
»Nein!«, sagte sie und wich vor Heci zurück. »Nicht mit dir. Nicht weg. Nicht jetzt.«
»Ralea …«
»Nein! Scheiße! Scheiße! Ich scheiß auf dich! Ich scheiß auf dich! «
Sie rannte los und floh aus dem Naturparadies im Himmel. Allein stieg sie hinab zu dem Metall und dem Beton darunter.
Auf der Promenade war es mit Anbruch der Dunkelheit kalt geworden. Ralea lief mit klappernden Zähnen durch die Gegend. Sie hatte weder ein bestimmtes Ziel noch sonst etwas im Sinn. Sie hatte nur das Bedürfnis, immer weiterzulaufen.
Sie befand sich auf einem der höchsten Teile der Raumstation, zu dem nur wenige Zugang hatten. Je wichtiger man war, umso näher durfte man der Sonne und den Himmeln kommen. Von hier aus konnte man sogar einen Blick auf Kapselpiloten erhaschen, die durch ihren eigenen Bereich der Station nur ein paar Stockwerke höher liefen. Sie versuchte, sie nicht anzuschauen.
Mit einer Waffe wäre sie vielleicht auf dumme Gedanken gekommen, aber die Überwachungsgeräte hier oben schlossen derartige Risiken aus.
Merkwürdig, sie fühlte sich wie losgelöst von sich selbst. Es war nicht, als ob sie ihren Körper von außen beobachtete, sondern als ob sie jemand ganz anderes wäre. Sie sah sich so, wie eine normale, ausgeglichene, drogenfreie Person sie sehen würde.
Wie betäubt fühlte sie sich, war weder hungrig noch müde, litt weder unter Übelkeit noch unter Angst. Sie war einfach nur da – eine biologische Maschine, die sich in ständiger Bewegung befand und vollkommen haltlos war.
Sie ging an
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