Eve und der letzte Englaender
fest an mich und küsste sie so als wollten meine Lippen ihr all das sagen. Meine Sehnsucht nach ihr, mein Verlangen nach etwas, dass sich in meinem Herzen mehr und mehr Raum verschaffte. Wie war das nur passiert?
„ Du hast sie einfach schon viel zu lange vermisst, Dominic.“
Warum fielen mir ausgerechnet jetzt wieder Georges Worte ein? Er hatte sie mir vor einigen Wochen auf meiner Mailbox hinterlassen, als Eve gerade nach Hause geflogen war und ich mir fest vorgenommen hatte, ihr und mir Zeit zu geben – so wie George es mir geraten hatte. Völlig aus dem nichts dann diese Nachricht. Dieser Mann machte mich wahnsinnig! Es hätte mich allerdings auch nicht gewundert, wenn James da ebenfalls seine Finger im Spiel gehabt hätte, schließlich sah er George seit unserer nächtlichen Gläserrücken-Sitzung ebenfalls als seinen persönlichen Guru an. Bestimmt steckten die beiden mittlerweile unter einer Decke. Ich entschied mich also dazu, Georges Worte einfach mal zu meinen Gunsten auszulegen und begann das Spiel, das heute hier endete. Oder begann es gerade erst?
Eve schaute gedankenverloren aufs Meer, ihren Kopf in die Stelle zwischen meiner Schulter und meiner Brust vergraben.
„ Wie ist das für dich, wieder hier zu sein?“, fragte sie mich.
„ Merkwürdig, irgendwie“, seufzte ich leise.
„ Mit diesem Ort sind so viele Erinnerungen verbunden. Gute wie schlechte. Hier hat alles angefangen, vielleicht wird hier alles enden.“
In meiner Stimme lag eine kaum merkliche Spur Trauer, die Eve kurz erschaudern ließ.
„ Aber nicht an diesem Wochenende, Dom“, flüsterte sie beinahe tonlos und küsste mich dort, wo mein Herz fest und ungestüm gegen meinen Brustkorb schlug.
Eve
Der Ort war in Aufruhr. Überall Menschen. Fanhorden, die coolen Townkids, mitgezwungene Elternteile, die sich gleich zu kleinen Klüngeln zusammenschlossen und sogar Seniorenreisegruppen – einfach alle schienen heute hierher gekommen zu sein. Eines vereinte sie: Die Begeisterung, die in ihren Augen abzulesen war. Endlich war mal was los! Ich ließ mich von der Menge treiben und spürte, wie auch in mir die Anspannung stieg. Es wurde langsam Dunkel, und ich war jetzt ziemlich genau seit vierundzwanzig Stunden hier. Warum noch mal gleich?
Ich schloss meine Augen für einen kurzen Moment, da das gleiche Gefühl der Verlorenheit mich überkam, dass ich gestern im Spiegelkabinett schon einmal gespürt hatte. Doch diesmal war kein Dom da, als ich die Augen öffnete. Dom. Ich fing unweigerlich an zu lächeln, so als ob eine unsichtbare Macht meine Mundwinkel beherrschte. Er war der Grund, warum ich hier war. Er, dieser verrückte Engländer, und nichts anderes.
„ Wo wirst du morgen Abend stehen?“, hatte er mich gestern gefragt, nach dem ungefähr fünfhundertsten Abschiedskuss vor dem Eingang zu meinem Hotel.
„ Das verrate ich dir nicht“, lachte ich. „ Du hast ein Konzert zu spielen, Mister.“
Dom hatte mich mit einem Mal gegen die Glastür gedrückt und angefangen mich unter lautem Geächze halb auszuziehen, so dass auch wirklich jeder, der vorbeikam, sehen konnte was wir hier machten.
„ Ist ja gut, ist ja gut!“, bettelte ich.
„ Du wirst wissen, dass ich da bin. Aber mehr verrate ich dir nicht!“
Er seufzte und sah mich ernst an. „ Das ist gut.“
Ich gab ihm einen kleinen letzten Kuss in seinen linken Mundwinkel, bevor ich in Richtung Eingangshalle verschwand.
„ Sag mal, dein Freund hat doch echt einen an der Waffel, oder?“ fragte ich James lachend, als er mich am nächsten Morgen am Hotel abholte. Dom war den ganzen Vormittag unterwegs, um die letzten Details für die Show zu koordinieren und hatte mir deshalb seinen besten Freund geschickt, um mein Unterhaltungsprogramm für diesen Tag sicherzustellen. Nun stand er da also – mit einer Kutsche mit zwei weißen Pferden davor.
„ Nun ja, das kann man so sagen“, erwiderte James lachend und half mir ganz gentlemanlike beim Einsteigen in das Gefährt. Zum Glück konnte man nicht sehen, wer da in der Kutsche saß, denn auf der Promenade tummelten sich mittlerweile hunderte Fans.
„ Es ist schon verrückt: Genau hier haben Dom und ich uns das erste Mal gesehen“, murmelte James und zeigte auf das Grün, auf dem sie später spielen würden.
„ War er da auch schon so durchgeknallt?“ fragte ich ihn.
„ Ja klar, sonst hätte ich mich ja nicht mit ihm angefreundet!“, lachte er. „ Er war schon damals
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