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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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jüngeren Bruder. Ich habe die DVDs mitgehabt und sie gefragt, ob sie die für mich aufbewahren kann. ‚Kein Problem‘, hat sie gesagt. Sie war nett. Sie hat mir leidgetan. In ihrem Leben muss eine Menge schiefgelaufen sein. Ich habe gesehen, wie armselig sie gehaust hat. Ich habe ihr Geld angeboten, habe gesagt, sie solle es als Miete für die DVDs sehen, nicht als Geschenk. Sie hat mir die Hand getätschelt und war ganz gerührt. ‚Es gibt noch gute Menschen auf der Welt‘, hat sie gesagt und mich gefragt, woher ich den Bluterguss auf der Wange habe. ‚Vom Sport‘, hab ich gesagt. Sie hat den Kopf geschüttelt. ‚Gehen Sie fort‘, hat sie gesagt, ‚bleiben Sie nicht bei ihm, das bringt nichts.‘ “
    Ich bemerke, wie alle Claudia anstarren. Sie aber scheint in einem ganz anderen Film zu sein. „Sie hat wieder gelächelt und gesagt: ‚Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Ich brauche Ihr Geld nicht, ich kann Ihnen welches geben, damit Sie wegkommen von dem Mann.‘ Dann ist sie zur Küchenkredenz gegangen und hat in alten Zeitungsausschnitten gewühlt und einen Lottoschein herausgezogen. Und einen Zeitungsausschnitt mit den Gewinnzahlen. ‚Ein Sechser‘, hat sie gesagt. ‚Ich muss das Geld nur holen.‘ “
    Ich schaue Claudia an. „Sie haben ihr den Schein weggenommen.“
    Claudia schüttelt wild den Kopf. „Ich wollte ihn ihr nicht wegnehmen. Ich wollte mir die Zahlen ansehen. Hab das einfach nicht glauben können. Dieses Wrack soll einen Sechser gemacht haben? Sie wollte nicht, dass ich den Schein anfasse. Aber irgendjemand musste doch nachsehen, ob die Nummern wirklich übereinstimmten. Sie war nicht kräftig. Ich hab Schein und Zeitungsausschnitt genommen und bin ins Schlafzimmer, damit ich in Ruhe vergleichen konnte. Ich hatte gerade die ersten Zahlen kontrolliert, da war sie plötzlich hinter mir. Ganz außer sich. ‚Geben Sie her‘, hat sie gekreischt. Ich wollte nichts anderes, als die letzten Nummern noch überprüfen, hab den Schein festgehalten. Sie ist wie eine Furie auf mich los. Es war einfach eine Reflexbewegung. Ich habe sie weggeschubst. Sie ist gefallen …“
    „Sie ist auf den Eisenofen gefallen und Sie haben sie verbluten lassen“, ergänzt Zuckerbrot. Wir starren ihn beide an, haben ihn gar nicht wahrgenommen.
    Claudia schüttelt stumm den Kopf.
    „War es anders?“, frage ich ganz sanft. Das Opfer, das das Opfer tötet. Wegen eines Lottoscheins.
    „Ich habe nicht gewollt, dass sie gegen den Ofen fällt. Sie ist auf mich los und ich habe reagiert. Sie ist ausgerutscht und direkt mit dem Kopf auf den Ofen gekracht. Sie war sofort tot.“
    Ich schüttle den Kopf. „Laut Befund hat sie noch eine Stunde gelebt.“
    „Ich … ich konnte nicht denken. Ich bin einfach davongerast.“
    „Aber den Lottoschein, den haben Sie mitgenommen.“
    Claudia nickt langsam. „Sie selbst hat es mir gesagt. Ich muss weg von ihm. Sie gibt mir Geld. Er war meine Chance. Die letzte Chance. Ich habe mich nicht getraut, den Schein einzulösen. Aber dann waren Sie gemeinsam mit dieser anderen Frau bei mir und haben gesagt, ich soll an einen sicheren Ort, bald sei alles vorbei. Christian ist heimgekommen und hat nach der DVD gefragt. Er war sehr aufgeregt. Ich habe mitbekommen, dass er nach Lissenberg wollte. Ich habe gedacht, er wird nach den DVDs suchen und vielleicht wird man ihn dabei verhaften. Ich hab den Schein eingelöst. Ich bin ihm nachgefahren. Und als ich Polizei gesehen habe, bin ich Richtung Grenze. Ich wollte nach Prag. Von dort nach Südamerika. Irgendwohin. Ich weiß nicht, wohin.“
    „Wo ist Evelyns Mobiltelefon?“, will ich wissen.
    Sie sieht mir ins Gesicht. Große Augen, der Cut fast verheilt. Aber unter den Spitzen der Stirnfransen schimmert es blaulila.
    Ich hebe langsam die Hand und schiebe ihre Haare zur Seite. Sie zuckt nur ganz kurz, lässt es dann geschehen. Ein monströser Bluterguss, offenbar ging es auch, als er sie nach der DVD gefragt hat, nicht ohne Gewalt ab.
    „Das Handy?“, fragt sie zurück. „Ich hab Evelyns ‚Liebling‘ mitgenommen, ich war mir nicht sicher, ob sie nicht alles aufgenommen hatte. Ich hab das Telefon in Wien in einen Müllcontainer geworfen. Es hat mir alles so leidgetan, aber …“
    Ich darf mich nicht verwirren lassen. Opfer. Täterin. Noch etwas will ich wissen: „Sie waren in Lissenberg und haben die DVDs holen wollen, dabei sind Sie auf mich gestoßen. Sie waren es, die mich niedergeschlagen und eingesperrt hat. Kraft genug haben

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