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Everlasting

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Titel: Everlasting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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können dich nicht finden?»
     
    Aus ihrem Tagebuch wusste ich, dass Eliana einen Teilzeitjob bei Sonntagarchitekten hatte und meistens bis zwei Uhr arbeitete. Das Büro lag in der Xantener Straße, nur wenige Minuten zu Fuß von der Wohnung der Lorenzfamilie entfernt. Eliana wohnte zurzeit allein zu Hause. Ihre Eltern und Robert waren schon an der Ostsee. Eliana sollte am Wochenende zu ihnen stoßen.
    Der Himmel war graublau, als ich mich von Rouge verabschiedete. Die Sonne versuchte, den Dunst zu durchdringen, aber es sah so aus, als würde sie den Kampf verlieren. Die Luft war schwer, stickig schwül und heiß, Passanten schleppten sich durch die Straße, als wateten sie durch einen Sumpf. Ich dagegen war froh und beschwingt, als ich in die Giesebrechtstraße einbog, ich schwebte in meinem eigenen Exosphäre-Ballon. In meiner Heimatzone war es Juni 2265, damit hatte ich Eliana seit mehr als zwei Monaten nicht mehr gesehen, seit Ende März. Meine Vorfreude war riesig. Aber für Eliana war es fast vier Jahre her, seit sie mich zuletzt gesehen hatte. Sie würde eine Erklärung erwarten. Und ich hatte mir eine zurechtgelegt: Ich hatte gedacht, sie wäre mit Sam zusammen, würde ich sagen, und es sei mir unvorstellbar gewesen, mich zwischen die beiden zu drängen. Ich hätte gehofft, sie zu vergessen, aber nun, da ich für eine Woche in der Stadt zu Besuch war, hätte ich es mir nicht verkneifen können, bei ihr vorbeizuschauen.
    Okay. Ich wusste, das klang wie eine von diesen «Doktor Norden»-Geschichten in der Groschenheft-Abteilung des Archivs für die toten Sprachen, aber es war doch auch nicht ganz gelogen. Außerdem wäre die Wahrheit weit schwerer zu glauben als diese Halb-Lüge.
     
    Ich war erleichtert, als ich sah, dass sich Elianas Straße genau so vor mir erstreckte, wie ich sie in Erinnerung hatte: verschlafen, gepflegt, hübsch. Wo ich auch hinschaute, überall waren die Balkone mit Blumenkästen geschmückt, Terrakottatöpfe quollen über von Geranien, Kornblumen und Ringelblumen. Das kleine Kino war noch da, der Lebensmittelladen, Cafés. Die Tür zu Elianas Wohnhaus war abgeschlossen. Sie war wahrscheinlich gar nicht zu Hause, aber ich klingelte trotzdem. Niemand antwortete. Ich setzte mich an einen Tisch vor einem Café gleich nebenan. Von dieser Position aus konnte ich sowohl die Straße als auch den Eingang ihres Wohnhauses im Auge behalten. Ich bestellte mir einen Tee und bezahlte, als er gebracht wurde.
    Und dann wartete ich.
    Um 14.20   Uhr sah ich eine goldene Erscheinung aus dem Verkehr am Kurfürstendamm auftauchen, nach rechts in die Giesebrechtstraße einbiegen und rasch auf das Café zukommen. Eliana saß auf einem Fahrrad, an dem vorne ein Korb voller Sonnenblumen hing. Sie trug ein blassgelbes Sommerkleid. Als sie an dem Café vorbeifuhr, bot sich mir ein Blick auf ihren Rücken, ganz nackt und sonnengebräunt. In ihrem Haar, lang mit flachsblonden Krauslocken, fing sich das schwache Licht der Sonne. Ich sprang von meinem Stuhl hoch, als sie an ihrer Haustür anhielt. «Eliana», rief ich.
    Sie reagierte nicht. Sie hatte mich nicht gehört. Sie schloss die Tür auf.
    «Eliana», rief ich lauter und kam näher.
    Noch immer nahm sie mich nicht wahr. Warum nicht?
    Hilfe – war ich doch in der falschen Welt? In der falschen Giesebrechtstraße? Diese schöne junge Frau war vielleichtgar nicht
meine
Eliana. Deshalb hatte sie sich nicht umgedreht! Sie kannte mich nicht, würde mich nicht kennenlernen wollen, war überhaupt nicht an mir interessiert.
    Sie stieß die Tür mit der Hüfte auf und schob das Fahrrad ins Haus.
    Die Tür schloss sich langsam.
    «Eliana», rief ich laut und verzweifelt. Ich war nur noch wenige Meter vom Haus entfernt.
    Die Tür fiel zu. Ich stand da und starrte auf das blanke Holz.
    Und dann schwang die Tür mit einem Quietschen wieder auf.
    Und da war sie.
    Und da war ich.
    Sie sah mich an. Ich sah sie an. Ihre Augen weiteten sich. Die Lippen öffneten sich leicht. Ich sah einen Schweißtropfen über ihre Stirn rinnen. «Du bist wieder da», stellte sie fest.
     
    Ich stand mit dem Rücken zum offenen Fenster ans Fensterbrett gelehnt. Von unten, aus dem Hof, drangen Mädchenstimmen, und irgendwo übte jemand Tonleitern auf dem Klavier. Eine Brise bewegte die Zweige der Bäume, und der Himmel verdunkelte sich. Donner grollte.
    Eliana füllte eine hohe Glasvase mit einem bisschen kochenden Wasser, schnitt die Sonnenblumen an, entfernte einige Blätter und arrangierte

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