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Everlasting

Everlasting

Titel: Everlasting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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nur dass sie aus Metall war. Die Frau trug Gummihandschuhe und hielt einen langen Holzstab, an dessen Ende lange, breite Baumwollstreifen gebündelt waren. Ein Mopp?, dachte Finn. Sie hatte auch einen blauen Eimer dabei. Und sie trug eine Rolle Irgendetwas in der Hand. Er las die Beschriftung auf der Verpackung: «Toilettenpapier.»
    «Seid ihr blind oder watt?», sagte die Frau. «Könnt ihr nich’ lesen? Da steht Toilette, nich’ Drogenhöhle.»
    Sie hatte Silber in den Zähnen und einen Goldzahn. Gold. Erstaunlich.
    «Oder watt habt ihr da drin jemacht?», fragte sie und suchte den Toilettenboden mit den Augen ab, doch da glitten die Türen vor Finn und Rouge wieder zu. Die Frau stellte einen Fuß dazwischen, und die Türen glitten wieder auf. «Watt glotzt ihr denn so?», knurrte sie. «Wenn hier einer watt zu glotzen hat, dann ja wohl ich!»
    «Finn», sagte Rouge leise und zog ihn am Arm. «Gehen wir.»
    Sie traten über die Türschwelle.
    «Dürfte ich jetzt vielleicht mal da rein?» Die orangefarbene Frau drängte sich an ihnen vorbei. «Also ehrlich!»
    Die Türen schlossen sich hinter ihr.
Wusch
.
    Und Finn befand sich mitten im Spiel, mitten im Berlin, am Anfang der Jahrtausendwende.
     
    Diese Geräusche! Es waren einfach zu viele. Und sie waren so laut! Finn brummte der Schädel davon – als wäre sein Kopf ein Bienenstock voller Drohnen. Seine Ohren fühlten sich an, als wären sie mit Klumpen heißen Wachs vollgestopft. Und all die verschiedenen Stimmen. Alle sprachen so schnell und durcheinander. Ein Schwall Musik brandete auf ihn ein, und die Bässe verbeulten sein Herz wie Faustschläge. Ein Hund bellte – detonierende Geschosse.
    Tatsächlich standen sie wie angekündigt in der Fußgängerzone. Es herrschte großes Gedränge. Und warum starrten ihn alle an? Ein Strom von Passanten teilte sich vor ihm wie das Rote Meer vor Moses. Das hat er einmal in einem Zelluloid gesehen.
    «Warum gucken uns alle an?», fragte er Rouge.
    «Vielleicht bilden wir uns das bloß ein? Wie fühlst du dich?»
    «Ein bisschen schwindelig. Und du?»
    Sie zuckte die Achseln und setzte sich auf eine Bank. Finn setzte sich neben sie.
    «Atme tief ein», befahl Rouge.
    Finn atmete tief durch die Nase ein. Die Gerüche waren überwältigend. Irgendwo wurde Brot gebacken. Der feuchte, süße Duft von Blumen wehte von einem Verkaufsstand herüber. Zwei Jungen im Teenageralter balgten sich kichernd um eine braune Flasche. Sie fiel ihnen herunter und zerbrach. Die beiden rannten kreischend vor Lachen weg. Finn sah zu, wie die Flüssigkeit eineschaumige Spur über das Pflaster zog. Es roch bitter nach Bier.
    Die Gebäude ringsum waren klobig und scheinbar planlos zusammengewürfelt, ein Sammelsurium aus Glas und Metall, Backstein, Zement und Holz. Ob das korrekt war? Er nahm sich vor, die Architektur von Shoppingzonen des frühen 21.   Jahrhunderts zu recherchieren.
    Die Sonne schien ihm heiß ins Gesicht.
    «Setz deine Sonnenbrille auf, Finn», sagte Rouge leise.
    «Ach ja, richtig.»
    Finn öffnete seinen Rucksack, holte die Brille hervor und setzte sie auf.
    Rouge trug ihre jetzt auch.
    Ein junger Mann, eigentlich ein Junge, dessen Haare genau wie Finns borstig hochstanden, aber auf beiden Seiten des Kopfes abrasiert waren (er sah
wirklich
wie ein Irokese aus dem Film «Auf Winnetous Spuren» aus), ließ sich neben Finn nieder und schubste ihn unsanft Richtung Rouge. «Ey», sagte er, «rutsch mal ’n Stück!»
    Finn fühlte sich bedroht. Er sah Rouge an. Sie nahm seine Hand. «Es ist ein Spiel», flüsterte sie.
    Stimmt, dachte Finn, es ist nur ein Spiel. Es gibt nichts zu befürchten.
    Aber es fühlte sich so echt an. Finn konnte den Schweiß des Jungen riechen, das Leder seiner Hose. Sonnenlicht blitzte auf seinem Silberschmuck. Er trug einen Ring in der Nase und viele Ringe in den Ohren. Sein Nietengürtel sah so ähnlich aus wie Finns.
    Jetzt zündete der Junge sich eine Zigarette an. Finn kannte Zigaretten nur aus den Zelluloids. Rauch wirbelte um ihn herum. Versehentlich inhalierte er etwas davon, und er musste husten. Der Junge sah zu ihm herüber. Erdurchbohrte ihn förmlich mit Blicken. «Was’n?», knurrte er. «Hast du ein Problem? Was gegen meine Zigarette?»
    «Gehen wir», sagte Rouge zu Finn. «Wir haben noch ein paar Minuten.»
    Finn stand auf. Und plötzlich gingen ihm die Ohren auf, das Wachs schmolz, die Bienen im Kopf verschwanden – und seine Jeans rutschte herunter.
    «Ey, deine Hose!», grölte

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