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Everlasting

Everlasting

Titel: Everlasting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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der Junge.
    Finn zog die Jeans hoch und ging mit Rouge weiter. Überall lag Abfall herum. Zigarettenkippen. Leere Verpackungen. Zeitungspapier. Plastiktüten. Ein Mädchen sauste vorbei, noch keine zehn Jahre alt. Sie glitt dahin, als hätte sie Rollen in den Schuhen versteckt.
    Ein paar Schritte weiter hüpfte ein Kleinkind johlend auf einem Schaukelelefanten auf und ab. Ihre Betreuerin, vielleicht die Mutter, sprach in ein Handgerät. Finn hatte so etwas schon in den Zelluloids gesehen. Hier, im Deutschland der Jahrtausendwende, nannte man sie Handys. Das wusste er. Er kannte sie auch von den Foresters, die sie noch immer benutzten. «Ich hätte Lust auf Pasta», sagte die Frau in das Gerät. «Und Salat. Kannst du Milch besorgen?   … Ja. Fettarm.»
    Er hörte eine Trommel. Rund zwanzig Meter von ihm entfernt saß ein Mann mit kahlgeschorenem Kopf und in einem safrangelben Gewand auf der Straße, sang irgendwas und schlug dabei rhythmisch auf eine große Rahmenholztrommel. Er sah aus wie die tibetischen Mönche, die gelegentlich in die Werkstatt seines Vaters gekommen waren, um sich Möbel anzuschauen. Hatten sie ihr Aussehen im Laufe der Jahrhunderte wirklich nie verändert? Das könnte ein Fehler im Spiel sein, dachte er und wünschte, sein BB wäre in Betrieb, damit er sich das notieren konnte.Was war noch mal die andere Sache, die er sich hatte merken wollen?   … Ach ja, die Architektur und ob sie historisch korrekt war.
    Finn blieb stehen und hörte dem Mönch zu. Der meditative Gesang, der gleichmäßige Trommelrhythmus, die Glöckchen, das alles beruhigte ihn. Es war eine Wohltat inmitten der lärmenden Hektik.
    Ein Mann mit Vollbart und langem buschigem Haar trat an Finn heran. Er trug einen dicken schmutzigen Mantel, eine Fellmütze und hohe schwarze Stiefel, als wäre es tiefster Winter. Er schob einen großen Metallwagen, der wie ein Korb geformt war, vor sich her. Der Korb enthielt Plastiktüten, aus denen Stoffe, vielleicht Kleidungsstücke, und andere Gegenstände quollen. Ein unangenehmer säuerlicher Geruch umgab den Mann. «Hast du ein paar Cent für mich?», fragte er Finn und hielt ihm einen Plastikbecher hin. Ein Blick auf Rouge verriet Finn, dass sie genauso perplex war wie er selbst. Er wandte sich dem Bärtigen zu, wollte ihn fragen, was er denn verkaufte, aber der Mann war schon weitergezogen, in Richtung City Toilette.
    «Seltsamer Ort für Square One», sagte er zu Rouge. «Was glaubst du, warum sie eine öffentliche Toilette als Startpunkt ausgesucht haben?»
    «Diese Testerin hat sich schon dasselbe gefragt», erwiderte Rouge. «Vielleicht weil sie mitten im Geschehen, und doch abgeschirmt ist?»
    «Aber wir könnten doch einfach so auf der Spielfläche erscheinen. Oder?»
    Rouge zuckte die Achseln. «Vielleicht fänden das die Leute hier seltsam.»
    «Aber es ist ein Spiel!» Er schaute dem Bärtigen hinterher. «Was glaubst du, was der Mann verkauft? Wofür will er Geld haben?»
    Erneutes Achselzucken von Rouge.
    «Vielleicht verkauft er gar nichts», dachte Finn laut, «und sollte deshalb auch kein Geld verlangen. Das könnte ein Fehler im Spiel sein.»
    «Finn, diese Physikerin ist keine Spielentwicklerin!»
    Jenseits der öffentlichen Toilette führte eine belebte Straße durch die Fußgängerzone, und das Hupkonzert, das von dort ertönte, weckte Finns Aufmerksamkeit. Große Fahrzeuge mit Rädern   – Busse und Lastwagen – krochen die Straße entlang. Kleinere, Automobile, bewegten sich wie eingeklemmt zwischen ihnen.
    «Sollen wir dorthin gehen?», fragte er. «Und nachsehen, warum sie hupen? Vielleicht ist es ein Festzug.»
    «Es riecht da bestimmt eklig.» Rouge zog die Nase kraus. «Fossile Brennstoffe.»
    Finn beobachtete, wie der Bärtige jetzt auf eine alte Dame zuging, die sich quälend langsam fortbewegte. Wie der Mann schob sie eine Vorrichtung auf Rädern vor sich her. Aber ihre war viel kleiner und sah ganz anders aus. Eine Gehhilfe vielleicht? Sie setzte sich darauf, öffnete ihre Tragetasche und gab dem Bärtigen etwas, Geld vermutlich. Jetzt versperrte eine Gruppe von Passanten den Blick auf sie, weshalb Finn nicht sehen konnte, was sie im Gegenzug bekam.
    Finn drehte sich zu Rouge um. «Das Spiel ist einfach irre! Richtig umwerfend. Und so detailliert. Bis ins Kleinste ausgedacht. Wie haben sie das bloß gemacht? Wer das ausgearbeitet hat, ist ein Genie.»
    «Greifswald und Berlin werden sich freuen, das zu hören.»
    «Charlottenburg!», staunte er.

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