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Everlasting

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Titel: Everlasting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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ich sind allein rein.
    Madeline sah so winzig aus, wie sie da so lag mit all den Schläuchenund Schienen und den ganzen Geräten, und alles hat gepiepst. Ich habe gesagt: «He, Madeline, wir sind’s, Robert und ich», und sie hat die Augen aufgemacht und uns gesehen, sie hat uns direkt angeblickt, einfach nur angeblickt, ganz still, aber es war, als würden ihre Augen woandershin gucken. Ich wollte ihre Hand nehmen, aber die war unter der Decke, und die Decke war so festgesteckt, und ich habe mich nicht getraut, ihre Hand rauszuziehen, weil ich dachte, ich tu ihr vielleicht weh. Also habe ich mich stattdessen vorgebeugt und sie auf die Stirn geküsst, und Robert hat das auch gemacht. Und eine Sekunde lang hat sie mich und Robert doch wahrgenommen, und ich habe Angst in ihren Augen gesehen. Richtige Angst. Und das hat so irre wehgetan, sie so zu sehen. Ich habe angefangen zu weinen. Robert auch.
    Und dann hat Madeline die Augen zugemacht.
    Robert und ich haben eine Weile nur so dagestanden und uns in den Armen gehalten, dann sind Mama und Papa und Oma Uschi reingekommen, und wir haben uns alle zusammengedrängt und uns umarmt, während Madeline schlief.
     
    Finn fuhr seinen BB hoch und rief Renko Hoogeveen an. Drei Tage später hatte Renko eine Todesanzeige gefunden. Sie gab den Tod einer gewissen Madeline Lorenz bekannt (14.   November 1992   –   9.   Juni 2005). Die Namen der engsten Familienmitglieder sowie Ort und Zeit der Trauerfeier waren angegeben.
    Zwei Wochen später, am 22.   Januar 2265, befand sich Finn wieder in einer City Toilette.

14   Die Fliege an der Wand
    Finn graute vor der Beerdigung. Auch in seiner Welt waren Beerdigungen nicht völlig unbekannt, aber er war noch nie auf einer gewesen. Von Zelluloids – seiner wichtigsten Informationsquelle für derlei Ereignisse – wusste er jedenfalls, dass sie ungemein emotional waren.
    Doch Finn spürte, dass er hinmusste. Er ahnte, dass die Antwort auf seine Frage «Was nun?» in der Vergangenheit lag. Was genau er tun würde, wenn er dort war, ob er Eliana überhaupt ansprechen würde, wusste er nicht. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass sie sich überhaupt noch an ihn erinnerte – immerhin hatten sie sich seit über einem Jahr nicht gesehen. Vermutlich würde er sich nur irgendwo im Hintergrund halten und das Geschehen von dort aus beobachten.
    Professor Judd Grossmann hatte Finn eingehend nach den Gründen für seine Entscheidung befragt und darauf hingewiesen, dass die Dinge schwierig werden könnten, falls er der jungen Dame ein weiteres Mal begegnete. Finn räumte dabei ein, dass seine Entscheidung alles andere als rational war. «Es ist mir selbst ein Rätsel», sagte er, aber er
spüre
eben, dass er es tun musste.
    Und das Olga-Zhukova-Institut schien seine Antwort zu akzeptieren, sogar richtig gut zu finden.
    Im Vorfeld der kommenden fünf Zeitreisen, zu denen Finn sich verpflichten musste, absolvierte er eine ganze Serie von Tests und Übungen, von denen einige im wahrsten Sinne starker Tobakwaren – beispielsweise die «Passivrauchen»-Simulationsübung. Finn musste eine Mahlzeit in einem kleinen, vollbesetzten Raum einnehmen, in dem jeder zweite Anwesende eine Zigarette rauchte. Diese Übung tat in den Augen weh, war eine Qual für Lunge und Hals, ganz zu schweigen von dem Geruch, den Finn danach nur mit Mühe aus Haar und Kleidung rausbekam.
    Andere Übungen waren weniger unangenehm, dafür aber körperlich anstrengend, zum Beispiel eine Stunde lang ohne Pause in die Pedale eines Fahrrads zu treten, das allein durch
seine
Muskelkraft angetrieben wurde. Aber Finn ließ alles geduldig über sich ergehen, denn nichts davon war, wie er fand, so unerträglich wie die Aussicht, wieder die öden Geschäftsberichte der Deutschen Bank aufs Auge gedrückt zu bekommen.
    Finn musste einen Anfänger-Crashkurs in der Physik des Zeitreisens belegen. Im Workshop lernte er, wie Lebewesen oder auch nicht lebende Objekte durch die Zeit «bewegt» wurden, doch das meiste davon überstieg seinen Horizont. Und die wenigen Fragen, die er tatsächlich hatte, wurden nie zu seiner vollen Zufriedenheit beantwortet: Warum «landen» wir in City Toiletten? Wie wird verhindert, dass wir auf jemandem landen, der gerade auf ebendieser Toilette sitzt? Was sorgt dafür, dass wir uns in der neuen Zeit nicht aus Versehen mitten in einem Haifischbecken eines Aquariums wiederfinden? Wieso können wir Dinge
in
die Vergangenheit mitnehmen, aber keine Souvenirs

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