Everlasting
verpassen, aber dann hatte ich doch noch genug Zeit, um mir im Duty-Free-Shop schnell mal ein Flacon Everlasting zu kaufen.
Und ich kann ihnen erzählen, dass 2) der Flugbegleiter mir nach dem Essen einen Bailey’s angeboten hat, ohne mich auch nur zu fragen, wie alt ich bin. Ob eine Flugbegleiterin das auch gemacht hätte?
Und ich kann ihnen erzählen, dass ich 3) im Flieger einen eigenen Bildschirm hatte, der in die Rückenlehne des Sitzes vor mir eingebaut war. In der Economy-Klasse! Ich habe mir «Little Miss Sunshine» angeguckt, eine ganze Reihe von britischen Sitcoms und
Ups. Turbulenzen. Kann nicht weiterschrei
Finn ging das Tagebuch Satz für Satz durch, verfolgte Elianas Leben als Austauschschülerin an der Highschool. Sie schrieb über ihr Leben bei Familie Weiss in der New Yorker Vorstadt Teaneck, in New Jersey. Mrs. «Bitte sag Wendy zu mir» Weiss, so las Finn, die früher Sportlehrerin an einer Highschool in New York gewesen war, betrieb jetzt ein Yoga-Studio in Englewood, New Jersey. Danny Weiss – «dünne Beine, große Brille, sehr klug» – war Psychologieprofessor an der Rutgers University und brauchte 70 Minuten für die Fahrt zum Campus. Und ihre Tochter Sarah, sechzehn, war Elianas neue beste Freundin: «Sie entfernt sich das Schamhaar mit Wachs. Autsch!»
Gelegentlich schrieb Eliana längere Passagen: Dass das Pessachmahl Anfang April köstlich gewesen war und alle Verwandten und Freunde etwas zu essen mitgebracht hatten. Sie beschrieb erstaunlich detailliert die Matzenknödelsuppe und die Möhrenkugel. Ihre Schilderung, wie sie bei der Zubereitung der Rinderbrust geholfen hatte, ließ Finn so sehr das Wasser im Munde zusammenlaufen, dass er fast versucht gewesen wäre, seine vegetarische Seele an den Teufel zu verkaufen, nur um einen Bissen davon kosten zu dürfen. Auch Jungen spielten oft eine Rolle in ihrem Tagebuch. Ein paar waren total «süß». Andere waren «seltsam». Die meisten waren «vollblöd». Eines hatten sie allerdings alle gemeinsam: «Die können alle nicht küssen! Viel zu schlabberig. Kein Gefühl.»
Finns Tage waren ausgefüllt. Morgens arbeitete er ein paar Stunden an Elianas Tagebuch, dann an seiner Handschrift. Er näherte sich dem Ende seines Lernprogramms, übte weiter fleißig das Verbinden von Buchstaben. Nach dem Mittagessen machte er meist einen Spaziergang am Strand und sah dabei zu, wie die Wellen heran- und wieder hinausrollten. Er betrachtete das Schilf, wie es sich zurück- und wieder nach vorn bog. Er verfolgte den Flug einer Seemöwe, die aufstieg und wieder herabstieß. Manchmal, wenn der Übermut ihn packte, ging er kurz im eiskalten Meer schwimmen.
Die Tage wurden länger. Am frühen Abend setzte Finn sich auf die Terrasse und sah sich den Sonnenuntergang an, Koch Carlo servierte ihm dann sein Abendessen, danach übte Finn weiter seine Handschrift. Später am Abend spazierte er gern noch einmal am Strand entlang, in eine warme Decke gehüllt, und blickte hinauf in die Sterne.
Finn hatte das vierte Tagebuch beinahe zu Ende gelesen. Er freute sich für Eliana, denn sie fühlte sich wohl in Amerika. Von Zeit zu Zeit schrieb sie über Madeline: «Die Shopping Mall hätte ihr gefallen», oder: «Es tut so weh, wenn es mir durch den Kopf geht, dass sie nie einen warmen Frühlingstag im Central Park erlebt hat.»
Und dann plötzlich, eines Nachmittags, der Schock:
Sonntag, 27. Mai 2007
Heute war ich auf Fire Island! Und das kam so:
An meinem 17. Geburtstag hat Wendy erzählt, dass sie als Siebzehnjährige ganz nah am Atlantik gewohnt hat, in Far Rockaway. Sie hat mir auf der Karte gezeigt, wo das liegt, und ich habe gesehen, dass esan der Grenze zu Long Island ist. Da habe ich dann Fire Island auf der Karte gesehen. «Ich kenne jemanden, der genau da lebt! Finn Nordstrom », habe ich gesagt. Und schlagartig habe ich sein Gesicht wieder vor mir gesehen. Diese intensiven Augen. Den Bartschatten auf seinen Wangen – unglaublich sexy. Ich weiß noch, dass die Drei Js und ich nach der Beerdigung noch tagelang darüber geredet haben, wie cool er war, sein Anzug, seine Haare, sein Lächeln, seine nette Art. Er war so … keine Ahnung … so … perfekt. Ich kann das nicht erklären. Jedenfalls habe ich dann Wendy Weiss erzählt, dass ich ihm vor fast zwei Jahren, einige Wochen nach der Beerdigung, zweimal geschrieben habe, dass er aber nie geantwortet hat, und dass ich seine Adresse gegoogelt und seinen Heimatort
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