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Everlasting

Everlasting

Titel: Everlasting Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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Überzeugendes einfallen lassen. «Ich habe da geforscht. In München. Nur für zehn Tage. Und gestern Abend sind wir hier angekommen, um mit einem Freund Geburtstag zu feiern. Ich bin nur für einen Tag hier in Berlin.»
    «Nur einen Tag?», sie schrie fast.
    Wieder schauten Leute zu ihnen rüber.
    «Wieso sitzen wir dann hier rum?», sagte sie und sprang von ihrem Stuhl auf. «Komm. Wir gehen.»
     
    Als sie im Erdgeschoss ankamen, winkte ihm der Pförtner zu. «Jetzt hab ich’s!», rief der Mann. «Sie sind das! Der Mann, der mich gerettet hat.»
    «Sie gerettet?», sagte Finn verdutzt. «Ich glaube, da irren Sie sich.»
    «Wilmersdorfer Straße. August 2003.   Sie haben mir 497   Euro geschenkt!»
    Jetzt fiel es Finn wieder ein. Wie hatte er das vergessen können? Das war der Mann mit dem Bart und dem säuerlichen Geruch und dem Metallwagen mit den Einkaufstüten! Wie er sich verändert hatte!
    Aber Eliana durfte nichts davon wissen, dachte er jäh. Wie sollte er ihr erklären, dass er – «Tut mir leid», sagte Finn, «aber Sie müssen sich irren.»
    «Nein, nein», sagte der Mann. «Sie sind es. Ich hab stundenlang gewartet, dass Sie wieder rauskommen. Sie sind mit einer jungen Frau in eine von diesen City Toiletten verschwunden, mit einer   –»
    Finn ging zügig durch die Ausgangssperre. Der Mann quatschte ihn noch um Kopf und Kragen. «Auf Wiedersehen», sagte Finn und eilte davon.
    «Sie haben mich gerettet!», rief der Mann hinter ihm her. «Ich bin jetzt ein anderer Mensch, ob Sie’s hören wollen oder nicht! Ich danke Ihnen!»
    Doch Finn und Eliana waren bereits zur Tür hinaus.
     
    Unter ihren Füßen raschelten die Blätter, rot, gelb, braun. Der Kanal lag links von ihnen, rechts von ihnen, jenseits der Bäume, die Straße. «Und da haben sie Rosa Luxemburgs Leiche reingeworfen», sagte Eliana. Sie machte mit dem Arm eine ausladende Bewegung übers Wasser, und ein Hauch von ihrem Everlasting schwebte zu Finn herüber. Ihm wurde leicht schummrig im Kopf, und einen Moment lang dachte er, er würde vielleicht kopfüber in den Kanal stürzen. Aber dann klopfte sie ihm auf die Schulter und zeigte nach rechts. «Da hinten sind die Botschaften, und da vorne», sie wandte sich wieder nach links, «ist eine Jugendherberge. Da wohnten mal ein paar Freunde von mir. Siehst du?»
    «Diese gedrungene, unscheinbare, graue, hässliche Masse aus Beton und   –»
    Sie kicherte. «Genau. Wie in Teaneck, New Jersey. Aber witzigerweise», sagte sie und ging durch den Baumstreifenrechts von ihnen zur Straße, «steht hier, auf der anderen Kanalseite, quasi gegenüber dieser grauen Masse aus Irgendwas, einer der schönsten Bauten in ganz Berlin. Schau.»
    Unglaublich! Finn erkannte die wellige Fassade des Gebäudes. «Fahrenkamp», sagte er.
    Eliana war baff. «Ich fass es nicht, dass du den Namen des Architekten kennst. Die meisten Berliner wissen nur, dass die GASAG ihre Büros dort hat. Wenn sie überhaupt was über den Bau wissen.»
    In Finns Welt war es ein Baudenkmal und stand am Südwest-Eingang zum Campus des Olga-Zhukova-Instituts. Die Swuttle-Station Fahrenkamp-OZI lag keine zweihundert Meter weiter nördlich.
    «Verzeihung, Mr.   Nordstrom», sagte Eliana. Sie hatte eine Faust vor den Mund gehoben, als hielte sie ein Mikrophon, wie die Journalisten in den Nachrichtenzelluloids. «Was um alles in der Welt hat einen intelligenten Amerikaner wie Sie dazu veranlasst, sich ausgerechnet deutsche Geschichte und Kultur als Fachgebiet auszusuchen?» Sie hielt ihm das Mikrophon vor den Mund.
    «
Moderne
Geschichte, Fräulein, nicht nur die deutsche. Die Deutschen haben bloß stark daran mitgewirkt.»
    «Und das zum Teil sehr übel.» Ihr Mikrophon löste sich in Luft auf.
    Er nickte. Die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war in Europa auch eine Art Dark Winter gewesen. Finn hob das imaginäre Mikrophon wieder auf. «Und was um alles in der Welt hat Sie veranlasst, in Teaneck, New Jersey, zur Schule zu gehen?»
    Eliana lachte und stupste ihn an die Schulter. «Du hast ‹New Jersey› gesagt wie ein echter New Yorker – so schönherablassend. Aber irgendwie klingst du gar nicht wie ein New Yorker. Meine Gastmutter, Mrs. ‹Bitte sag Wendy zu mir› Weiss hat wie eine geredet. Sie stammt aus Brooklyn. Sie klingt wie ein Taxifahrer in einem Scorsese-Film. Wie Kreide auf einer Tafel.»
    Kreide auf einer Tafel. Finn fragte sich, was das wohl für ein Geräusch war.
    «Aber du», sprach sie weiter, «dein

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