Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
sehe sie an. »Das ist das Elixier des ewigen Lebens. Der Trank, den die Menschheit zeit ihres Bestehens gesucht hat. Damen ist einer der wenigen, die es tatsächlich geschafft haben – er hat vor über sechshundert Jahren die geheime Formel entdeckt.«
»Ever, wenn du glaubst, dass ich …« Sie schüttelt den Kopf und ist zu wütend, um ihren eigenen Satz zu Ende zu führen, obwohl sie es schafft, ihn zu denken, und diesmal schalte ich mich ein. Wenn auch aus keinem anderen Grund, um meine Aussage zu untermauern.
Mein Blick begegnet ihrem, und ich mustere sie genau, während ich langsam ihre unausgesprochenen Worte wiederhole. »Nein, ich glaube wirklich nicht, dass du bereit bist, auch nur eine Sekunde lang etwas so Groteskes, so Lächerliches, so weit Hergeholtes, so … Erbärmliches zu glauben.« Entsetzt reißt sie die Augen auf, doch sie hat sich ebenso schnell wieder gefasst und sich eingeredet, dass ja auf der Hand lag, was sie gedacht haben muss. Und obwohl das stimmt, bin ich noch lange nicht fertig.
»Falls dich das noch nicht überzeugt hat, dann vielleicht das. Aber ich muss dich warnen, ich schrecke vor nichts zurück, um dir zu beweisen, dass ich weder lüge noch verrückt oder eine nach Aufmerksamkeit gierende Schwindlerin bin.
Ich werde dir genau zeigen, wozu ich im Stande bin, was ich vermutlich schon längst hätte tun sollen. Der einzige Grund, warum ich es nicht getan habe, ist, dass keine von uns schon bereit dafür war. Aber jetzt sind wir es. Oder zumindest ich bin es, und ich bin mir ziemlich sicher, du auch. Und was Mr. Muñoz angeht …« Ich sehe ihn kurz an. »Er weiß Bescheid. Offen gestanden, weiß er es schon eine ganze Weile.«
Sabine wendet sich mit flehender Miene zu Mr. Muñoz um. Doch er holt nur tief Atem und nickt, ehe er ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich lenkt. »Das stimmt, Sabine, Schatz, Ever lügt nicht«, sagt er. »Sie hat Fähigkeiten, die wirklich erstaunlich sind. Ich bitte dich nur, ihr eine Chance zu geben. Versuch einfach, mit offenem Geist zuzuschauen und zuzuhören, und du wirst staunen, was du zu sehen bekommst. Und wenn nicht, wenn du dann immer noch nicht glauben willst …« Er sieht sie an und hofft offenkundig, dass das nicht der Fall sein wird. »Na ja, das ist dann deine Entscheidung. Aber warum versuchst du nicht, deinen Horizont durch ganz neue Ideen zu erweitern, über die du vielleicht noch nie nachgedacht hast?«
Sie verschränkt Arme und Beine, was vom Gesichtspunkt der Körpersprache aus ziemlich entmutigend ist. Argwöhnisch mustert sie mich, als ich sage: »Zuerst einmal – was hatte ich an, als du die Tür aufgemacht hast?« Sie blinzelt und lässt ihren Blick über mich wandern, nimmt eine komplette Inspektion vor, doch als sie mir eine Antwort verweigert, sondern sich nur noch mehr verschließt, fahre ich fort. »Waren das dieselben Sachen, die ich jetzt anhabe?«
Sie rutscht beklommen hin und her, antwortet aber immer noch nicht, was in meinen Augen Antwort genug ist.
»Oder waren es die hier?« Ich manifestiere die schmutzigen Klamotten, mit denen ich vor ihrer Tür stand, doch deren Anblick entlockt ihr keine Reaktion. »Oder vielleicht waren es die?« Ich manifestiere ein Abendkleid aus dunkelgrüner Seide, genau wie das, das ich im Pavillon trage, wenn Damen und ich Szenen aus meinem Londoner Leben nachvollziehen, damals, als ich das verwöhnte, reiche Töchterchen namens Chloe war. Spontan beschließe ich, es anzubehalten, und sitze nun als leuchtendes Beispiel für den Putz und Prunk eines längst vergangenen Jahrhunderts vor ihr. Irgendwie muss ich sie dazu bringen, etwas zu sagen, irgendetwas, doch sie schweigt verbissen. Sie weigert sich hartnäckig, von den Vorstellungen abzuweichen, an die sie sich so lange geklammert hat.
»Meine Kräfte sind aber nicht nur auf schnelle Garderobenwechsel beschränkt«, sage ich. »Ich kann genauso leicht einen Elefanten manifestieren.« Dann schließe ich die Augen und tue genau das. Ich muss ein Lachen unterdrücken, als ich sehe, wie viel Mühe es sie kostet, die Fassung zu bewahren. Sie ist ihrem festgefahrenen Weltbild derart verhaftet, dass sie nicht einmal dann zu reagieren bereit ist, wenn ein ausgewachsener Elefant neben ihr erscheint und ihr den Rüssel ins Gesicht schwenkt. »Ich kann auch Blumen manifestieren«, füge ich hinzu und überschwemme den Couchtisch mit einer riesigen Masse leuchtend gelber Narzissen. »Und Schmuck.« Ich schließe die Augen, und als ich sie
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