Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
teilst die Frucht mit mir. Nur so können wir die Zukunft haben, die wir uns wünschen.«
Ich sehe ihn erneut flehentlich an. Doch als ich nur Bedauern in seinem Blick finde, wende ich mich ab und gehe aufs Tor zu.
ACHTUNDDREISSIG
I ch stehe vor dem großen Eisentor, das Damen mit der Kraft seiner Gedanken aufgeschlossen hat, während er mir bedeutet, mich auf der anderen Seite zu ihm zu gesellen. Und obwohl ich stark versucht bin, genau das zu tun – und glaubt mir, ich hätte wirklich große Lust dazu –, wenn ich wieder in ein normales Leben zurückkehren will, dann muss ich hier damit anfangen.
Jetzt.
Wenn ich wieder normal leben will, muss ich damit aufhören, mich auf Magie zu verlassen, um mich aus all meinen Schwierigkeiten zu befreien.
Kopfschüttelnd gehe ich an Damen vorbei, ignoriere seinen befremdeten Blick und marschiere auf das Büro zu, wo ich die Sekretärin sofort zu hektischem Aktivismus nötige, als ich auf sie zugehe und sage: »Hi. Ich bin Ever Bloom. Ich besuche hier die Abschlussklasse. Und ich komme nicht nur zu spät, sondern habe in den letzten sechs Monaten praktisch ständig geschwänzt und wollte nun wissen, wie ich das wiedergutmachen kann.«
Sie reißt die Augen auf und mustert mich von Kopf bis Fuß, ehe sie auf einen Stuhl an der Wand zeigt und mich anweist, mich zu setzen und mich nicht vom Fleck zu bewegen, während sie sich umwendet und gleichzeitig nach ihrer Computertastatur und nach dem Telefon greift. Den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, hackt sie unsanft auf
die Tasten ein und alarmiert den Rektor, den Konrektor, meine Lehrer und Sabine, die umfassend in meinen Plan eingeweiht ist und auf diesen Anruf gewartet hat. Über das Schicksal meines Abschlusszeugnisses wird mit wenig oder gar keiner Mitwirkung meinerseits entschieden, und als meine einstmalige Suspendierung zur Sprache kommt, könnte ich wetten, dass ich ausgespielt habe. Doch dann, dank Sabines raffiniertem Verhandlungsgeschick, erlauben sie mir, das zu versuchen, was garantiert alle als unmöglich erachten: Wenn ich binnen der nächsten zwei Wochen alles nachhole, was ich verpasst habe, und jede einzelne Klausur nachschreibe, dann lassen sie mich den Abschluss machen.
Sechs Monate versäumter Arbeit, die in nur vierzehn Tagen erledigt werden muss, damit ich zusammen mit meinen Mitschülern Barett und Talar tragen darf. Andernfalls würde ich es nicht einmal bis nächstes Jahr um die gleiche Zeit schaffen, wenn überhaupt.
Mit starker Betonung des Wenn.
Wenn es je einen passenden Zeitpunkt für Magie und Manifestieren und Besuche in den Großen Hallen des Wissens gab, dann jetzt. Aber auch wenn ich es ablehne, mich auf meine Kräfte zu verlassen, hindert mich das nicht daran, mich auf meine Freunde zu stützen – darunter auch ein paar Leute, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie meine Freunde sind.
Als mir dann Klassenkameraden, mit denen ich kaum je ein Wort gewechselt habe, anbieten, mir ihre Notizen zu leihen – aufgefordert von Miles, aber trotzdem –, und als mir Stacia und Honor dabei helfen wollen, den ganzen versäumten Physikstoff nachzuholen, bin ich über das Angebot so verdutzt, dass ich es annehme. Und für eine Schülerin, die über ein Jahr lang nicht mehr gelernt und keine Hausaufgaben
mehr gemacht hat, ist es ein bisschen schwer, jetzt wieder den Anschluss zu finden.
Auch kann ich es unmöglich verhindern, dass ich automatisch den Inhalt aufnehme, kaum dass ich eines aus dem Riesenstapel meiner Lehrbücher berührt habe. Das Gedankenlesen kann ich kontrollieren, da brauche ich nur meinen geistigen Schild herabzulassen oder meine Quanten-Fernbedienung zu benutzen, aber das universelle Bewusstsein anzuzapfen, indem ich Dinge einfach intuitiv aufsauge, ist etwas, worüber ich keine Kontrolle habe. Und so nutze ich diese Gabe für meine Zwecke, anstatt dagegen anzukämpfen, indem ich mich durch Berge von Lesestoff ackere, die ohne dieses Talent niemals zu bewältigen wären. Zusätzlich muss ich ja trotzdem noch Referate verfassen, Gleichungen lösen und mir Formeln einprägen, also kann man nicht sagen, dass ich komplett schummele. Allerdings muss ich zugeben, dass bei den Multiple-Choice-Tests auch automatisch sämtliche Antworten vor meinem inneren Auge auftauchen. Aber auch dagegen bin ich machtlos.
Doch auch wenn mir meine Freunde und meine hellseherischen Kräfte dabei helfen, bleibt es noch ein gewaltiger Berg, den ich in so kurzer Zeit schaffen muss. Während
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