Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
mit einem Kissen übt.
Sein Blick jagt zwischen uns hin und her – zwischen der lebenden, atmenden, echten Version von mir, die vor ihm steht, und der unbeseelten und daher leicht durchsichtigen Version von Fleur an seiner Seite. Und während sie immer
noch so verführerisch ist, wie man sich nur vorstellen kann, reizt mich ihr momentaner Zustand unterbrochener Animation mit Schlafzimmerblick, aufgeworfenen Lippen und zerwühltem Haar einfach zum Lachen. Allerdings begreife ich erst, als Damen nicht in mein Lachen mit einstimmt, dass er das ganz anders sieht.
»Was ist denn los?«, fragt Damen stirnrunzelnd und zieht das weite Baumwollhemd zurecht, das er damals immer trug.
»Tut mir leid, ich hab einfach …« Ich sehe mich um und bemühe mich nach Kräften, mein Lachen zu unterdrücken, da ihm die Sache ohnehin schon peinlich genug ist. »Ich hab anscheinend irgendwie …« Ich zucke die Achseln und beginne erneut. »Na ja, ich weiß nicht genau, was passiert ist. Irgendwie habe ich im einen Moment noch pro forma mitgemacht, und im nächsten war ich so genervt, weil sie dich weggestoßen hat, dass mich meine Frustration schnurstracks aus der Szenerie geworfen hat, aus ihr heraus.«
»Und wie lange ist das schon her? Wie lange stehst du schon da und schaust zu?«, will er wissen, während er sich insgeheim sicher fragt, wie peinlich ihm die Sache sein muss.
»Nicht lange. Ehrlich.« Ich schüttele heftig den Kopf und hoffe, dass er es mir abnimmt.
Er nickt, offenbar erleichtert, und langsam nimmt sein Teint wieder eine normale Färbung an.
»Es tut mir leid, Ever. Ganz ehrlich. Alles, was ich bisher versucht habe, ist fehlgeschlagen. Ich schaffe es nicht, Romans Gegengift zu entschlüsseln, sosehr ich mich auch anstrenge.« Mit niedergeschlagener Miene sieht er mich an. »Und ehe mir nichts anderes einfällt, etwas, was ich noch nicht versucht habe, fürchte ich, dass wir uns mit dem
begnügen müssen, was wir haben. Aber wenn es zu frustrierend wird, sollten wir vielleicht nicht mehr hierherkommen – zumindest für eine Weile?«
»Nein!« Ich sehe ihn an und schüttele erneut den Kopf. Das habe ich überhaupt nicht gemeint, nicht im Mindesten. »Nein, nein, das ist …« Ich winke hastig ab. »Es ist nicht so, dass ich nicht auch in den Moment vertieft war, denn das war ich. Ich habe ihre Verführungskünste genauso genossen wie du. Und glaub mir, ich bin genauso verblüfft wie du darüber, dass das passiert ist. Also, auch wenn mir immer wieder mal ein Gedanke in den Sinn kam, der nicht dazuzupassen schien, war das das erste Mal, dass mich ein solcher Gedanke völlig aus der Figur herauskatapultiert hat. Ich wusste nicht einmal, dass das passieren kann – du etwa?« Er sieht mich achselzuckend an, da er immer noch viel zu tief in der Situation steckt, um überhaupt darüber nachgedacht zu haben.
»Aber da wir jetzt schon einmal dabei sind …« Ich halte inne und frage mich, ob ich das jetzt wirklich durchziehen soll, ehe ich mir sage, dass ich nichts zu verlieren habe. »Tja, ich wollte einen bestimmten Punkt ansprechen, etwas, das mir kürzlich eingefallen ist.«
Er wartet darauf, dass ich zur Sache komme.
Ich presse die Lippen zusammen, sehe mich um und versuche, meine Gedanken zu sortieren und die richtigen Worte zu finden. Eigentlich hatte ich das Thema gar nicht ansprechen, mich gar nicht auf dieses Terrain wagen wollen, doch das hindert mich nicht daran, mich ihm jetzt zuzuwenden und loszusprudeln. »Ich habe mir überlegt – okay, ich weiß nicht genau, wie ich es ausdrücken soll, aber wir wählen doch jedes Mal, wenn wir hierherkommen, zwischen meinen verschiedenen Leben, oder?«
Damen nickt geduldig, obwohl sein Blick etwas anderes sagt.
»Also, manchmal drängt sich mir einfach die Frage auf, warum wir immer nur zwischen meinen Leben wählen. Was, wenn das Dasein als Damen Augustus Notte Esposito gar nicht dein erstes Leben war?«
Weder bleibt ihm der Mund offen stehen, noch schaut er fassungslos, noch zuckt er zusammen, scharrt mit den Füßen oder gestikuliert herum, noch bringt er eines der anderen nervösen kleinen Manöver zum Zeitschinden an, auf das ich gewettet hätte.
Nein, er steht einfach nur da, mit völlig ausdrucksloser Miene, als hätte er zu der Idee, die ich soeben geäußert habe, rein gar nichts zu sagen. Er blickt drein, als hätte ich soeben in einer der wenigen Sprachen gesprochen, die er nicht beherrscht.
»Direkt bevor du gekommen bist, habe ich die Zahlen
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