Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
in die Fernbedienung eingegeben – du weißt schon, acht, acht, dreizehn, null, acht? Ich dachte, es könnte ein wichtiges Datum oder so was sein – eine Zeit, in der wir beide schon mal gelebt haben. Aber obwohl nichts passiert ist, glaube ich nach wie vor, dass es gut sein könnte. Wir wissen ja beide, dass ich als Pariser Dienstmagd Evaline gelebt habe, oder? Und als Puritanertochter Abigail. Als verwöhntes Londoner Luxusgeschöpf Chloe und als Künstlermuse«, ich zeige auf sie, »Fleur. Und auch als Sklavenmädchen Emala – aber was, wenn du nicht schon immer Damen warst? Was, wenn du einst, vor langer, vor sehr langer Zeit, jemand ganz anders warst?«
Was, wenn du auch wiedergeboren wurdest?
Den letzten Satz lasse ich unausgesprochen, doch er hat ihn trotzdem gehört. Die Worte wirbeln derart um uns
herum, dass sie sich nicht ignorieren lassen, obwohl auf der Stelle klar wird, dass Damen genau dies vorhat.
Seine verkrampften Schultern und sein finsterer Blick bilden so ziemlich das krasse Gegenteil zu meinem leuchtenden Gesicht und meinem elastischen Körper. Und sosehr ich mich auch zu bezähmen versuche, es hat keinen Zweck. Ich bin so erfüllt von dieser neuen Idee – dieser vielleicht übersehenen Möglichkeit, dass ich die Energie um mich herum praktisch vibrieren spüre. Und wenn ich eine Aura besäße, was Unsterbliche nicht haben, dann würde sie garantiert im herrlichsten, leuchtendsten Violett erstrahlen, übersät von glitzernden goldenen Punkten, denn genauso fühle ich mich.
Daher weiß ich, dass ich Recht habe.
Doch offenbar bin ich mit meinem Gefühl allein. Und so muss ich schwer enttäuscht zusehen, wie sich Damen umdreht und mich ohne ein Wort des Abschieds in einem Feld prächtiger roter Tulpen stehen lässt.
Ich verlasse das Sommerland und tauche wieder in Damens Haus auf, wo ich ihn sichtlich niedergeschlagen auf dem Sofa vorfinde.
Ich blicke an mir selbst herab und registriere, wie das dünne Seidenfähnchen auf der Stelle durch die Jeans und den blauen Pulli von vorher ersetzt wird, genau wie Damens weites weißes Hemd und die schwarze Hose den Sachen weichen, die er sich am Morgen ausgesucht hat.
Und obwohl seine Kleider sich wandeln, bleibt seine Stimmung bedauerlicherweise gleich. Während ich sein Gesicht betrachte und nach einem Hauch Freundlichkeit, einem Streifen Offenheit suche, bekomme ich im Gegenzug nichts als eine versteinerte Miene zu sehen. Also gehe ich zur Wand gegenüber und bleibe dort stehen, während ich
mir schwöre, dort so lange zu verharren, bis er den nächsten Schritt tut. Dabei weiß ich nicht, was ihn mehr ärgert – dass ich aus der Szene ausgebrochen bin, oder die Vorstellung, dass er schon einmal gelebt haben könnte. Doch was immer es auch ist, es hat offenbar einen inneren Dämon in ihm von der Leine gelassen.
»Ich dachte, darüber wären wir hinaus«, sagt er schließlich und wendet sich mir zu, jedoch nur kurz, dann beginnt er erneut auf und ab zu gehen. »Ich dachte, du wärst bereit, nach vorn zu schauen und ein bisschen Spaß zu haben. Ich dachte, du hättest begriffen, dass du nicht weiterkommst, dass du dich in Bezug auf das Sommerland geirrt hast – in Bezug auf seinen dunklen, tristen Teil und die alte Frau und all das. Ich dachte, du wolltest einen Abstecher in den Pavillon machen, damit wir uns ein bisschen in früheren Zeiten amüsieren können, bevor wir in Urlaub fahren. Und kaum fangen wir an, uns zu vergnügen, überlegst du’s dir anders. Was soll ich dazu sagen? Ich bin ein bisschen enttäuscht, Ever. Ehrlich.«
Ich schlinge die Arme um mich selbst, als könnten sie seine Worte abwehren. Schließlich wollte ich ihn ja nicht gezielt enttäuschen, das war überhaupt nicht meine Absicht. Trotzdem werde ich einfach den Gedanken nicht los, dass die Lösung des Rätsels der Alten uns in eine glücklichere, hellere Zukunft führen wird. Weiter will ich gar nichts, und ich weiß, dass auch er in Wirklichkeit nichts anderes will – trotz der Weltuntergangsstimmung, in der er sich gerade befindet.
Doch ich spreche nichts davon aus. Vor allem weil Damen – mein Seelengefährte, die Liebe meiner zahlreichen Leben – stets derjenige ist, der zuverlässig meine emotionalen Landminen entschärft, ehe sie uns vor der Nase explodieren.
Also kann ich mich wenigstens für den Gefallen revanchieren.
Er sieht mich an, nach wie vor unfroh. Also spreche ich mit extra leiser, sanfter Stimme, entspanne meinen Körper und halte die Hände
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