Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig
will mich unbedingt aus meiner trüben Stimmung reißen. »Nicht, wenn ich eine wunderbare Überraschung für dich habe.«
Ich senke den Blick und rede mir gut zu, dass ich das schaffe. Dass ich wirklich, ehrlich bereit bin, es durchzustehen. Dann sehe ich ihn an und sage: »Und ich habe eine für dich.«
Ich hole tief Luft und nehme all meine Kräfte zusammen. Tugend ist etwas, was man nicht so ohne Weiteres preisgibt, nicht ohne Ehe oder wenigstens ein Eheversprechen. Und falls es sich herumspräche, tja, dann würde es mich ohne jeden Zweifel ruinieren. Doch das ist mir egal. Ich schere mich nicht um Regeln und Konventionen, die nur mit dem Kopf zu tun haben und dabei das Herz hartnäckig ignorieren.
Ich kann mich nicht um eine Zukunft scheren, die ich nicht einmal sehe und mir schon gar nicht vorstellen kann.
Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass Alrik Esme heiraten und eines Tages irgendjemand mich heiraten wird. Es gab bereits Angebote. Ernsthafte Angebote. Doch für den Moment kümmere ich mich nicht darum, sosehr meine Eltern auch betteln und flehen. Obwohl ich selbstverständlich damit rechne, eines Tages mit meinem rechtmäßig angetrauten Ehemann in unserem Ehebett zu liegen, obwohl ich damit rechne, dass er ein braver und freundlicher Mann mit vielen Vorzügen sein wird, weiß ich in meinem Herzen, dass ich ihn nie so lieben werde wie Alrik.
Die Art von Liebe, die wir teilen, begegnet einem nur einmal im Leben – und manchen überhaupt nicht.
Und schon allein aus diesem Grund bin ich bereit, alles zu riskieren.
Wenn ich sonst nichts mit diesem Leben anfange, in
dem ich stecke, so will ich zumindest die Liebe in ihrer absoluten, tiefsten, wahrsten Form erleben. Sonst sehe ich überhaupt keinen Sinn darin weiterzuleben.
»Du zuerst«, sagt er, und seine Augen glitzern vor Vorfreude, während er meine Hände mit seinen umfasst.
Ich hebe das Kinn und recke mich, um ihm die Arme um den Hals zu schlingen und ihm tief in die Augen zu sehen. »Ich habe beschlossen, dass ich bereit bin, ganz die Deine zu werden.«
Er zieht die Brauen zusammen und begreift zuerst gar nicht, was meine Worte bedeuten. Doch schon bald hat er ihren Sinn erfasst und reagiert auf eine Weise, mit der ich nicht gerechnet habe. So oft ich diese Szene auch in Gedanken durchgespielt habe, niemals hätte ich erwartet, dass er mit hemmungslosem Lachen reagieren würde. Mit lautem, schallendem Gelächter. So laut und schallend, dass ich schon fürchte, es könnte uns jemand hören und uns hier drinnen aufstöbern.
Dann, ebenso rasch, zieht er mich an sich, bedeckt erneut mein Gesicht mit Küssen und drückt die Lippen zart auf meine Haut. »Meine geliebte Adelina, du brauchst deine Unschuld nicht zu opfern, da du doch ohnehin bald die Meine sein wirst.«
Ich mache mich los und starre ihn mit ungläubiger Miene an, doch er wirkt völlig unerschüttert.
»Das … das verstehe ich nicht«, stammele ich.
»Wir werden heiraten.« Er lächelt. »Du und ich. Genau, wie wir es uns erträumt haben. Es ist alles arrangiert. Nur du und ich und ein Geistlicher. Es tut mir leid, dass es keine große Feierlichkeit sein kann, nicht die Art von Hochzeit, wie sie meiner künftigen Königin zustünde, und ich bedauere auch, dass deine Familie unserer Vermählung nicht
beiwohnen kann, aber du verstehst gewiss, dass alles größter Geheimhaltung unterliegen muss. Doch schon bald, sehr bald, sowie es sich herumspricht und mein Vater keine andere Wahl hat, als meine Entscheidung zu akzeptieren und hinzunehmen, dass seine beiden Söhne ihre Zukunft mit den Frauen, die sie lieben, gestalten, tja, dann werden wir das prunkvollste Fest feiern, das du je erlebt hast. Adelina, das verspreche ich dir.«
Ich betrachte forschend sein Gesicht und wünschte, ich könnte seine Begeisterung teilen, doch ich habe viel zu viele Fragen, um das auch nur zu versuchen. »Aber wie sollen wir das tun? Und wo? Und, was noch viel schlimmer ist, Alrik, dein Vater bringt dich um!«
Alrik lacht nur und wischt meinen Einwand mit ungeduldiger Geste vom Tisch. »Seinen erstgeborenen Sohn umbringen? Niemals! Mein Vater wird sich damit abfinden. Und wenn er dich erst einmal sieht, dich so gut kennen lernt wie ich, dann schließt er dich bestimmt auch ins Herz – du wirst sehen!«
So gern ich das auch glauben möchte, ich kann es nicht. Ich bin nicht so idealistisch wie Alrik. Nachdem ich mit weitaus weniger Vermögen und Privilegien auskommen musste, habe ich aus erster
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