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Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig

Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig

Titel: Evermore Bd. 6 - Für immer und ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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Taschenlampe über sein Gesicht gleiten lasse, und überlege, ob ich ihm die Wahrheit verraten soll – nämlich dass die Frucht ihrem Ruf nicht ganz gerecht wird. Dass die Geschichte über ihre Kräfte nicht ganz so wörtlich genommen werden sollte. Die Frucht des Baums spendet jenen, die danach suchen, Weisheit und Erleuchtung, ja sogar die ultimative Wahrheit, nämlich das Wissen, dass sie in Wirklichkeit unsterbliche Wesen sind. Bei denjenigen, die bereits die körperliche Unsterblichkeit erlangt haben, hat sie allerdings den umgekehrten Effekt, indem sie Körper und Seele wieder in den Zustand versetzt, der ihnen von vornherein zugedacht war.
    Was ganz und gar nicht die Form von Unsterblichkeit ist, die Rafe anstrebt – auch wenn es definitiv diejenige wäre, die er braucht.
    »Und warum sollte ich das tun?«, frage ich stattdessen nur.
    »Weil jetzt Roman weg ist – dank dir, könnte ich hinzufügen.
« Er hält lange genug inne, um das auf mich wirken zu lassen. »Der Baum ist meine letzte Hoffnung. Haven hat die letzten Reste von Romans Vorrat weggetrunken, und da er dachte, er werde für immer leben, hat er sich nie die Mühe gemacht, jemandem das Rezept zu verraten. Ganz zu schweigen davon, dass es ihm Spaß gemacht hat, uns unter Kontrolle zu halten. Das hat ihm fast ebenso gut gefallen wie die Party, die er alle anderthalb Jahrhunderte gegeben hat, immer zur Sommersonnenwende – da hat er uns alle dorthin eingeladen, wo er zu der Zeit gelebt hat. Dann haben wir uns gegenseitig Geschichten erzählt, uns gemeinsam amüsiert und aufeinander angestoßen, ehe wir uns wieder verabschiedet und unser Leben weitergelebt haben. Ein bisschen wie ein Klassentreffen, aber besser, wenn du weißt, was ich meine. Kein Saal in einem zweitklassigen Hotel, keine Notwendigkeit, einander mit misslungenen Schönheitsoperationen und aufgeblasenen Jobbezeichnungen zu beeindrucken, die in Wirklichkeit nichts bedeuten …«
    Ich sage kein Wort. Und ich versuche nicht einmal, es mir vorzustellen. Ich stehe nur einfach da und lasse ihn weiterreden.
    »Das Komische war allerdings, dass dein Freund Damen, auch wenn er nie aufgekreuzt ist – wahrscheinlich, weil er nicht eingeladen war –, trotzdem immer das beliebteste Gesprächsthema war.« Rafe nickt und sieht versonnen drein, als verfolgte er einen Film, der in seinem Kopf abläuft. »Jahrelang war er wie eine Legende für mich. Du hättest die Geschichten hören sollen, die die Waisen erzählt haben. Er war der Erste unserer Art, derjenige, der sechs Leute verwandelt hat und dann verschwunden ist, um nie wieder von sich hören oder sich blicken zu lassen, zumindest nicht absichtlich. Ist dir eigentlich klar, dass er nicht ein einziges
Mal daran gedacht hat, sie alle aufzustöbern und sie erneut trinken zu lassen? Er hat sie im Stich gelassen, Ever – hast du das gewusst? Er hat sie alle dahinwelken und alt und hinfällig werden lassen, während er die ewige Jugend gepachtet hatte.« Er schüttelt den Kopf und runzelt die Stirn auf eine Weise, die ein ganz neues Faltenmuster auf seine Stirn zeichnet. »Tut mir leid, aber falls das klingt, als ob ich ihn nicht leiden könnte, dann liegt das daran, dass ich ihn tatsächlich nicht mag. Aber das hat nichts damit zu tun, warum ich dir nicht erlauben kann, zu dem Baum zu gelangen. Es ist nicht persönlich gemeint, daher hoffe ich, dass du Verständnis hast, wenn ich dir sage, dass du die Frucht deshalb nicht bekommen wirst, weil sie speziell für mich reserviert ist.«
    Ich hole tief Atem, dimme meine Taschenlampe ein wenig und begreife, dass es besser ist, ihn in Sicherheit zu wiegen und leichtsinnig werden zu lassen, damit ich ihn überrumpeln kann, statt ihn in die Defensive zu drängen, wenn ich je wieder die Oberhand erringen will. Mir ist absolut bewusst, dass es nur eines kräftigen Schubses bedürfte, um ihn in den Abgrund zu stoßen. Und so verführerisch das auch sein mag, ich tue es nicht – und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er es nicht mit mir tun wird.
    Er braucht mich.
    Nur ich kann die Reise machen.
    Nur ich kann den Baum finden.
    Also muss ihm daran gelegen sein, dass ich gesund, lebensfähig und vor allem unversehrt bleibe, wenn ich ihm den Weg dorthin weisen soll.
    Allerdings dürfte ihm nicht klar sein, dass ich das sogar liebend gern tue, solange ich als Erste dort ankomme. Und wenn ich ankomme, wenn ich diesen Baum erklimme und die Frucht ergattere, dann werde ich sie gern teilen. Ich
habe durchaus

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